: Billigbier dank Dosenpfand
Weil die Supermärkte auf das neue System nicht vorbereitet sind, verkaufen sie ihre Büchsen jetzt zum Schleuderpreis
BERLIN taz ■ Praktizierter Umweltschutz führt gegenwärtig dazu, dass die Lebenshaltungskosten für breite Schichten der Bevölkerung sinken. Auf die Einführung des Pflichtpfands für Einweg-Getränkedosen ab 1. Januar 2003 hat die Supermarktkette Lidl gestern reagiert, indem sie die Preise halbierte. Die 1,5-Liter-Einwegflasche Mineralwasser kostet dort bis auf weiteres 17 Cent. Auch Aldi hat die Preise reduziert.
Verbraucherschützer beobachten mit Interesse, wie rechtzeitig zu den Feiertagen die Preise für Dosenbier und -erfrischungsgetränke ins Rutschen gekommen sind. Nachlässe um 50 Prozent sind keine Seltenheit. Preiserhöhungen bei anderen Artikeln des täglichen Bedarfs wie Strom, Erdgas, Blumen und Dienstwagen werden damit teilweise wettgemacht. Die Entwicklung ist zurückzuführen auf eine Initiative von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Weil der Anteil von Mehrwegverpackungen bei Getränken unter die festgelegte Quote gesunken war, hatte er das Pflichtpfand in die Wege geleitet. Ab 1. Januar nächsten Jahres beträgt das Pfand für Dosen und für kleine Flaschen mit Cola, Bier, Limonade und Wasser 25 Cent. Für Verpackungen ab 1,5 Liter sind 50 Cent fällig.
Auch die deutsche Justiz hat zu den Preissenkungen beigetragen. Diverse Gerichte, zuletzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, haben Beschwerden der Lebensmittelkonzerne und ihrer Verbände gegen das Pfand abgeschmettert. Weil sich die Dosenindustrie ein Jahr lang nur mit der juristischen Auseinandersetzung beschäftigt hat, ist es ihr nicht gelungen, rechtzeitig eine ausreichende Zahl von Rücknahmeautomaten in den Supermärkten aufzustellen. Dies erklärt das aktuelle Bestreben, die noch vorhandenen Einwegverpackungen möglichst schnell loszuwerden. Damit nicht alle Lidl-Märkte ab Januar in der Illegalität operieren, sollen die Preissenkungen nun den „Abverkauf“ befördern.
Umweltminister Trittin geht derweil davon aus, das der Mehrweganteil ab Januar ansteigt. Dadurch werde das Ziel erreicht, die Vermüllung der Landschaft mit Dosen zu reduzieren, heißt es aus dem Ministerium.
Die Käufer von Erfrischungsgetränken in Aluminiumdosen müssen sich freilich darauf einstellen, dass die Preisnachlässe nicht von langer Dauer sein werden. Trittin, Konzerne wie Metro und der Bundesverband der Ernährungsindustrie haben sich gestern geeinigt, ab Januar ein Notpfandsystem zu etablieren. Dabei kann jedes Unternehmen die Verpackungen auf seine Art kennzeichnen und damit sicherstellen, dass es nur Pfand für die Behälter auszahlen muss, die in dem jeweiligen Geschäft gekauft wurden. Ab 1. Oktober 2003 wird es dann ein bundesweites Pfandsystem geben, bei dem Kauf und Rückgabe nicht mehr im selben Laden stattfinden müssen. Spätestens dann dürfte auch Lidl Einweg-Bierdosen wieder zum alten Preis anbieten – plus Pfand. Das nächste Weihnachtsfest wird etwas trockener als dieses.
HANNES KOCH
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