Deal bei den Koalitionsverhandlungen: Vorfahrt für Radfahrer
Rot-Grün möchte das Radwegenetz im Falle einer Koalition massiv ausbauen. Auch wenn einige Pläne doch sehr bekannt klingen, sieht die Radlerlobby Chancen.
HAMBURG taz | Die Grünen haben der SPD ein „Bündnis für den Fahrradverkehr“ abgerungen. Das lässt sich unschwer als Ausgleich dafür interpretieren, dass die SPD den Grünen in den Koalitionsverhandlungen den Wunsch nach einer Straßenbahn abgeschlagen hat. Zwar klingen einige Projekte, die in diesem Zusammenhang nach außen drangen, so, als seien sie seit Jahren auf der Agenda. Trotzdem sieht die Radler-Lobby Chancen in so einem Vorhaben.
„Es hat so ein Bündnis bislang nicht gegeben, aber ich könnte mir vorstellen, das der Radverkehr dadurch beschleunigt ausgebaut werden könnte“, sagt Stefan Warda, der den Radler-Blog „hamburgize“ betreibt. In den Augen von Dirk Lau, dem Sprecher des ADFC, würde der Senat damit erstmals den Schwerpunkt auf den Radverkehr legen, satt ihn lediglich im Zusammenhang mit Autos zu erwähnen.
Mit dem „Bündnis für den Radverkehr“ würde eine rot-grüne Koalition ähnlich wie beim „Bündnis für das Wohnen“ die Kräfte verschiedener Akteure bündeln. Als Ziel setzt sich der Senat, den Radverkehrsanteil bis Anfang der zwanziger Jahre auf 25 Prozent zu erhöhen und damit mehr als zu verdoppeln. Konkret ist geplant, das Veloroutennetz beschleunigt auszubauen und Fahrradschnellwege zu schaffen.
In den vergangenen Jahren habe er „keine einschneidenden Verkehrsveränderungen wahrgenommen“, sagt ADFC-Sprecher Lau. Vielmehr seien die meisten Ideen lange in den Behörden-Schubladen liegen geblieben und seien erst im Wahlkampf, wieder ins Gespräch gebracht worden: „Das Veloroutennetz sollte schon längst ausgebaut werden, das ist aber bislang nicht passiert“, sagt Lau. Und auch bei Tempo 30 drücke die SPD auf die Bremse.
Tunnel für Radler
„Wenn die Grünen in die Koalition kommen, müssen sie Nägel mit Köpfen machen“, findet der Blogger Warda. Dabei bezieht er sich vor allem auf eine Veloroute, die ins Lerchenfeld mündet. Auf der dortigen Hauptstraße gebe es weder eine Querungsinsel noch eine Ampel. Dies mache es zu Hauptverkehrszeiten fast unmöglich, sie zu überqueren. Daher würde sich Warda vom Bündnis einen Tunnel wünschen.
Die von den Grünen gewünschten Radschnellwege würden die Außenbezirke auf direktem Weg mit dem Stadtzentrum verbinden. Ein Konzept gibt es dafür bislang nicht und für die Einführung müsste einiges investiert werden: „Der Radweg müsste mindestens 4,50 Meter breit sein statt 1,50 bis zwei Meter, wie es momentan der Fall ist, sowie kreuzungs- und ampelfrei sein“, sagt Warda, der Radschnellwege aus Göttingen kennt.
Was die Steigerung des Radverkehrsanteils angeht, liegt das aktuelle Ziel bei 18 Prozent – allerdings ohne, dass es dafür eine Frist gäbe, wie Helma Krstanoski, Sprecherin der Verkehrsbehörde sagt. In diesem Jahr sei eine bundesweite Erhebung fällig. Dann lasse sich genau sagen, wie viele Hamburger zurzeit radeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag