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zwanghafte claudia rothPlötzlich in Islamabad

Die Grünen sind wieder da: in ihrer schlimmsten Erscheinungsform. Mühsam hatte der Länderrat beschlossen, auch die Option militärischer Schläge gegen Afghanistan zu akzeptieren. Schon acht Tage später, auf dem Rückweg von Islamabad, überfiel die Parteichefin Claudia Roth die Erkenntnis: Nach den Nächten der Bombardierung müsse eingehalten werden, jetzt gehe es um Lebenshilfe für die Menschen.

Kommentarvon SEVERIN WEILAND

So ist das mit den Grünen – pardon, einem Teil von ihnen. Erst stimmt man, mit öffentlich zelebriertem Bedenken, Militärschlägen zu. Fallen die ersten Bomben, sterben die ersten Menschen und flüchten die Massen (wie das so Kriege nun einmal mit sich bringen), blickt man entsetzt auf die Folgen.

Roth war nicht so unvorsichtig, zu tun, was Konsequenz geboten hätte: den Krieg zu verdammen, bevor er begonnen wurde. Sie weiß, was sie innerparteilich zu verlieren hat, und griff zum erprobten Arsenal der Vertuschungsrhetorik: Prüfen müsse man die Ergebnisse der Angriffe - und überraschenderweise folgte ihr darin der Parteirat. Warum eigentlich bereits jetzt, fragt man sich. Die Flucht aus Afghanistan setzte bereits ein, als die USA Luftschläge nur in Erwägung zogen. Vor allem aber: Folgten die Amerikaner und Briten Roths Wunsch, was wäre die strategische, die politische Konsequenz? Darauf gibt es, erwartungsgemäß, keine Antwort. Eines wäre sicher: Bin Laden würde es als ersten Sieg verkaufen.

Roths Subbotschaft deckt sich mit der Stimmungslage einer starken Minderheit bei den Grünen, die nur eines will: den möglichst baldigen Stopp der Aktionen. Die Militärstruktur der Terroristen sei ja zerstört, argumentiert Roth, von der bislang nicht bekannt war, dass sie sich als Militärspezialistin einen Namen gemacht hat. Und: Jetzt müssten „alle anderen Mittel in Bewegung kommen“. Welche, würde man schon gerne etwas präziser erfahren. Dabei weiß Roth so gut wie der Rest der Regierung, dass das Hauptproblem immer noch existiert: Bin Laden und seine gefährlichsten Mitstreiter.

Viele Grüne sind schon einmal einem Irrtum erlegen: 1999, auf dem Bielefelder Parteitag, wollten sie das Aussetzen der Luftangriffe gegen Jugoslawien erreichen. Es wurde verhindert – zu Recht. Hätten sie sich durchgesetzt, Milošević säße wohl noch immer in Belgrad. Statt aus ihren Fehlern zu lernen, wollen manche Grüne immer wieder dieselben machen. Zwanghaft. Das ist die tragische Rolle, die sie sich auferlegt haben.

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