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zukunftsrezeptKulturhäppchen für alle

Illustration: Ali Arab purian

Etwas unter 10 Euro kostete ein Kinoticket im vergangenen Jahr in Deutschland im Schnitt. Ein Konzertticket war durchschnittlich für schlappe 140 Euro zu haben. Irgendwo dazwischen: die Kosten für einen Besuch im Theater. Klar, mancherorts gab und gibt es auch etwas günstigere Preiskategorien. Doch ist es für Menschen mit geringem Einkommen deutlich schwerer, an der kulturellen Vielfalt ihrer Stadt oder Region teilzuhaben als für Besserverdienende. Immer mehr Initiativen, zum Beispiel der Verein „Kultur für Alle Osnabrück“, versuchen das zu ändern. Sie vermitteln kostenfreie Restkarten oder stellen bedürftigen Menschen einen Kulturpass aus, mit dem sie unterschiedliche Veranstaltungen kostenfrei oder für einen symbolischen „Kulturwertschätzungsbeitrag“ von 1 Euro besuchen können. Das macht Menschen glücklich und ist sogar gut für die Demokratie. Wie auch du in deiner Stadt eine reich gedeckte Kulturtafel zauberst, erzählt dir das folgende Rezept. Tanika Trum

Schwierigkeitsgradmittel

Zubereitungszeit1 bis 2 Jahre

Personenje mehr, desto besser

Zutaten

7 Gründungsmitglieder für einen Verein1 gutes Netzwerk in die Kulturszene deiner Stadt oder Region(optional:) Kontakt zur Bundesvereinigung für kulturelle Teilhabe oder zum Bundesverband Kulturloge

Der Nährwert

Kulturbesuche verbinden Menschen, regen sie zum kritischen Denken und Diskutieren an. Deine Kulturhäppchen fördern so die Demokratie. Doch nicht nur das: Laut WHO und

können kulturelle Aktivitäten gar die physische und psychische Gesundheit von Menschen stärken und Krankheiten vorbeugen.

Gut zu wissen

Eine aktuelle Studie der TU Dresden belegt, dass Museumsbesuche depressive Symptome von Menschen mit Demenz verringern können.

Was kann ich tun? Die Frage erreicht die wochentaz seit Jahren immer wieder. Hier stellen wir diesen Sommer konkrete Rezepte für Engagement vor. Zum Nachkochen. Schreibt uns, wie’s geschmeckt hat: zukunftsrezepte@taz.de

1 Such dir Mit­strei­te­r*in­nen

In deinem Umfeld gibt es Menschen, die deine Leidenschaft für Kultur teilen? Super! Falls nicht, such dir anderswo Gleichgesinnte: in sozialen Medien zum Beispiel. Oder du schreibst einen Flyer mit Infos zu deinem Vorhaben und legst ihn an geeigneten Orten aus.

2 Organisiert euch

Um euer Projekt in Gang zu bringen, trefft euch am besten regelmäßig und verteilt anfallende Aufgaben fair. Überlegt euch einen Namen, erstellt eine Website und gründet frühzeitig einen gemeinnützigen Verein. Darüber könnt ihr leichter Fördergelder einwerben, um euer Projekt zu finanzieren. Für eine Vereinsgründung braucht ihr mindestens sieben Mitglieder.

3 Entscheidet euch für ein Modell

Wollt ihr zum Beispiel einen Kulturpass ins Leben rufen, mit dem Menschen so viele vergünstigte Veranstaltungen besuchen können, wie sie wollen? Oder wollt ihr lieber kostenfreie Restkarten vermitteln? Die Bundesvereinigung für kulturelle Teilhabe stellt auf ihrer Website verschiedene Modelle vor und berät euch gern, falls ihr Fragen habt. Alternativ kann euch auch der Bundesverband Kulturloge weiterhelfen.

4 Findet Ko­ope­ra­ti­ons­part­ne­r

Sucht das Gespräch mit Kul­tur­ver­an­stal­ter*in­nen und fragt, ob sie bereit sind, Tickets oder Restkarten vergünstigt oder kostenlos zur Verfügung zu stellen. Macht dabei deutlich, dass das für sie keinen Verlust bedeutet – denn die wenigsten Veranstaltungen sind ausverkauft. Vereinbart mit den Kul­tur­ak­teu­r*in­nen feste Rahmenbedingungen eurer Kooperation.

5 Macht euch einen Namen

Organisiert ein Event, zu dem ihr die lokale Presse, Kulturveranstaltende, Ver­tre­te­r*in­nen der Stadt und die Öffentlichkeit einladet. Stellt eure Initiative vor. Ladet auch eine Person von einer schon existierenden Kulturtafel ein, die von ihren Erfahrungen berichtet. Nutzt die Gelegenheit, um euer Netzwerk zu stärken und ehrenamtliche Mitstreiter*in­nen zu finden.

6 Stellt Kontakt zu Sozialpartnern her

Caritas, Diakonie, die Tafel, das Jobcenter: Sie alle können euch helfen, eure Zielgruppe zu erreichen. Und sie können euch bürokratische Arbeit ersparen. Viele Kulturtafeln arbeiten mit einem Nachweis zur Bedürftigkeit von Kulturgäst*innen. Solch ein Nachweis liegt den Sozialpartnern in der Regel schon vor. Bittet sie darum, euch die Bedürftigkeit eurer Gäs­t*in­nen zu bestätigen.

7 Eröffnet die Tafel!

Wenn ihr soweit seid: Organisiert ein weiteres Event und informiert die Stadtgesellschaft über den Start eurer Kulturtafel. Feiert eure ersten Kulturbesuche, bedankt euch bei allen, die sie mitermöglichen, baut euer Netzwerk an Kultur- und Sozialpartnern kontinuierlich aus. Und ladet so immer mehr Menschen zu eurer Kulturtafel ein. Wohl bekomm’s!

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