piwik no script img

zu hause bei den blatchers von RALF SOTSCHECK

Die britische Regierungspartei New Labour will mehr Frauen ins Unterhaus befördern – vorausgesetzt, sie ziehen sich anständig an, damit sie den „Grauenhaften Grinser“, wie Premierminister Tony Blair hinterrücks genannt wird, nicht blamieren. Die Frauenbeauftragte der Partei, Rachel McLean, hat den 194 weiblichen Mitgliedern, die für eine Kandidatur in Frage kommen, Verhaltensmaßregeln für das Vorstellungsgespräch bei ihrem Labour-Ortsverband zugesandt.

„Tragt einen Anzug oder einen hübschen Rock“, heißt es in dem zweiseitigen Brief. Etwas Farbe kann nicht schaden, damit man sich später noch an sie erinnert: „Dunkler Anzug zum Beispiel mit buntem Oberteil.“ Ohne Oberteil würden sie den Herrschaften, die über die Kandidatur entscheiden, vermutlich nachhaltiger im Gedächtnis bleiben. Nicht zu viel Schminke, warnt McLean – aber: „Ein bisschen ist besser als nichts.“ Und auf keinen Fall lange, klimpernde Ohrringe tragen, denn sie lenken ab. Dame Edna Everage braucht sich bei New Labour gar nicht erst zu bewerben.

Stimmt das Äußere, dann ist der Inhalt nicht mehr so wichtig, das hat Blair ausreichend bewiesen. Aber ein bisschen reden sollten die Unterhausaspirantinnen können. Das müssen sie zu Hause vor dem Spiegel üben, rät McLean, denn es vertreibe nervöse Zuckungen und Zappeligkeit. Beim Vorstellungsgespräch sollten die Frauen nicht rauchen und nur Wasser trinken. Welcher Labour-Ortsverband, der etwas auf sich hält, würde schon eine weibliche Version von Harald Juhnke als Kandidatin aufstellen?

Weil die „Blair Babes“, wie er seine Parlamentarierinnen liebevoll nennt, von der Presse als „roboterhaft“ gescholten wurden, empfiehlt Rachel McLean den Neuankömmlingen, sie sollten bei ihren persönlichen Statements darauf achten, dass etwas dabei ist, das ihnen einen menschlichen Anschein gibt. Und wenn die ollen Böcke von New Labour sexistische oder rassistische Fragen stellen: „Antworte taktvoll – eine Beschwerde bringt dir keinen Respekt ein.“ Respekt – vor so viel Umsicht.

Hinter den Bemühungen um die Politikerinnen der Zukunft steckt freilich nicht Blairs plötzliches Engagement für Gleichberechtigung, sondern politisches Kalkül: Es waren die Wählerinnen, die Labour an die Macht gebracht haben, elf Prozent sind bei den letzten Wahlen zu Labour umgeschwenkt. Zum Dank, oder besser als Zukunftsinvestition, ließ sich Blair umringt von seinen 101 weiblichen Abgeordneten ablichten. Da im nächsten Jahr wieder gewählt werden soll, muss man die Frauen bei der Stange halten, zumal viele schon nach einer Legislaturperiode die Nase voll haben und nicht mehr kandidieren wollen. Daher die hektischen Tipps für die Blair-Groupies – andere schaffen es ohnehin nicht auf die Liste.

Eine hoffnungsvolle Kandidatin, die aus diesem Grund gern ungenannt bleiben möchte, sagte: „Eine Frau, die diesen bizarren Ratschlägen folgt, hat keine Chance, als Labour-Kandidatin aufgestellt zu werden.“ Die ideale Person, auf die das Labour-Berufsbild wie maßgeschneidert passt, ist Margaret Thatcher. Dann wäre sie endlich mit ihrem Enkel Tony vereint – Familie Blatcher!

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen