was wir noch zu sagen hätten #9: Wo die Politik versagt
Auch im letzten Jahr war das Mittelmeer die tödlichste Fluchtroute der Welt. Das berichtet die Internationale Organisation für Migration in ihrer Anfang März veröffentlichten Bilanz für 2023. Mindestens 8.565 Menschen starben weltweit auf der Flucht, 20 Prozent mehr als im Vorjahr, davon 3.129 im Mittelmeer.
Bereits letzte Woche ging es an dieser Stelle darüber, wie der Schutz europäischer Außengrenzen über den Schutz von Menschenleben gestellt wird. Während sich die europäischen Staaten auf eine zunehmend restriktive Abschottungspolitik einigen, sind allein in diesem Jahr mindestens 255 Menschen im Mittelmeer gestorben oder verschwunden. Die Politiker*innen Europas verabschiedeten im vergangenen Jahr eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas), welches das bis dahin bestehende Asylrecht verschärft und individuelle Asylverfahren ersetzt. Auch das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz, Anfang des Jahres von der Ampelregierung beschlossen, legt sowohl geflüchteten Menschen als auch Seenotrettungsorganisationen Steine in den Weg.
Wie so oft, wenn die Politik versagt, gibt es Ehrenamtliche, die das Defizit zu mindern versuchen. Sea-Eye ist eine zivile Seenotrettungsorganisation, in der ich selbst aktiv bin. Wie die meisten NGOs kämpfen wir mit limitierten finanziellen Mitteln und strengen Vorschriften. An Land werden wir kreativ, veranstalten Pub Quizzes oder Bingo-Abende, um auf uns aufmerksam zu machen und unsere Einsätze im Mittelmeer zu finanzieren. Mir begegnete Sea-Eye zum ersten Mal auf Flyern in der Küche eines Hostels in Warnemünde, wo ich mit Mitarbeitenden ins Gespräch kam. Zwei Jahre später habe ich Sea-Eye zum taz lab eingeladen.
Sølvi Nymoen,28, studiert Kulturwissenschaft in Berlin, ist taz-lab-Redakteurin und selbst bei Sea-Eye aktiv.
Sølvi Nymoen
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