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vorlaufKaputte Kinder – schuldige Eltern

„Was ist unseren Kindern los?“ (Di., 20.45 Uhr, Arte)

Zwei trostlose Fernsehstunden bereitet uns Arte mit dem heutigen Themenabend. Und fragt wie zum Ausgleich ganz salopp: „Was ist mit unseren Kindern los?“

Ja, was? Das Problem brenne uns auf den Nägeln, meint die Redaktion. Jedes fünfte Kind in Deutschland sei psychisch oder körperlich derart angeschlagen, dass es Hilfe braucht. Zwei Dokumentationen zeigen denn auch tragisch scheiternde Versuche Jugendlicher, die eigene Identität zu definieren. Silvia Matthies konzentriert sich ab 20.45 Uhr auf Verirrungen, die typisch für Mädchen sind: Magersucht und Selbstverstümmelung. Besonders bedenklich stimmt es, dass die Patientinnen häufig aus Familien kommen, in denen Wert auf Ordnung und Pflichtbewusstsein gelegt wird.

Den verstörenden Höhepunkt des Beitrags bilden die Berichte von Mädchen, die sich auf noch brutalere Art Gewalt antun, indem sie sich mit dem alten Skalpell des Arzt-Papas die Unterarme zerschneiden oder mit brennenden Zigaretten malträtieren, um anschließend die Haut von der Wunde abzuziehen und Salz hineinzustreuen. Noch beim Erzählen zeigen diese jungen Frauen keine Spur von Erbarmen mit sich selbst und ihrem geschundenen Körper. Gelassen, ja heiter, bisweilen begleitet von einem geradezu koketten Augenaufschlag schildern sie ihren Leidensweg. Ohne die Erläuterungen erfahrener Behandler stünde man fassungslos vor diesen stummen Hilferufen der Seele.

Frühes Leid und quälende Isolation kennzeichnen auch die sieben Pubertätstragödien, die Heidi und Bernd Umbreit um 21.35 Uhr in ihrer Dokumentation über Straßenkinder in Deutschland erzählen. „Alles besser als euer Wohlstand“ bringt auf den Punkt, was am Verhalten der Jugendlichen so paradox ist: Sie verlassen mehr oder weniger intakte Familien, um auf der Straße zu leben.

Wer trägt die nun Verantwortung für all das Elend? Den Eltern jedenfalls erteilen die Experten heute Abend die Absolution: Sie täten ihr Bestes, nur leider sei dies bisweilen aufgrund tragischer Umstände nicht gut genug. PHILLIP SCHULZ

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