vergrämt: Wo einmal die A20 entlang führen soll, sind Zwergschwäne verschwunden
Der Bau der Ostseeautobahn A20 durch Schleswig-Holstein ist bisher kein Erfolgsprojekt. Sie soll einmal Polen mit den Niederlanden verbinden; in Mecklenburg-Vorpommern steht sie längst, in Schleswig-Holstein wird seit 1998 an ihr gebaut.
Nur geht es dort seit zehn Jahren nicht weiter, weil in den Kalkberghöhlen in Bad Segeberg einfach zu viele Fledermäuse leben, für deren Schutz sich die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, kurz Deges, richtig etwas einfallen lassen musste. Klagen, Baustopp, Nachbessern, Nerv.
Jetzt verdächtigen Umweltschützer die Deges, dass sie erfolgreich verhindert hat, dass aus Zwergschwänen Fledermäuse werden. Denn es gibt eine Population von Zwergschwänen, die sich seit zehn Jahren in der Hörnerau-Niederung zwischen Bad Bramstedt und Itzehoe als Überwinterungsgäste breit macht. Genau dort, wo die A20 einmal entlang führen soll.
Es gibt nur noch 12.000 Exemplare dieser besonders geschützten Art, Tendenz stark sinkend, wie es auf der Homepage eines vom Bundesumweltministerium geförderten Projektes zum Zwergschwan-Schutz heißt. Eins ihrer Hauptüberwinterungsgebiete ist ausgerechnet Norddeutschland, weswegen die Bundesrepublik besonders in der Verantwortung steht, zur Erhaltung der Art beizutragen; unter anderem, indem sie Schutzgebiete ausweist. Dazu ist sie verpflichtet, wenn mindestens ein Prozent des weltweiten Bestands irgendwo herumlungert und sei es nur im Winter, wenn es in Nordwestrussland zu kalt ist. In der Hörnerau-Niederung hat der Zwergschwan die Ein-Prozent-Marke so locker genommen, dass es hätte eng werden können mit dem Weiterbau der A20, diesem Projekt, das Bundes- und Landesregierung wollen.
Seit dem 23. Januar fehlt in dem Gebiet von Zwergschwänen jede Spur, sagt Maximilian Schäffler, ein Hobby-Ornithologe, der ehrenamtlich für den BUND Schleswig-Holstein arbeitet. Das wisse er von einem Ehepaar, welches seit dem Winter 2015 fast täglich die Zwergschwäne zähle, sagt er. 332 seien es am Vortag gewesen, was wenig ist gegenüber letztem Jahr, als dort 1.060 Zwergschwäne auf Nahrungssuche waren.
Sing, sing, was geschah? Die Planungsgesellschaft Deges soll dort Probebohrungen durchgeführt und die Vögel nachhaltig verscheucht haben, sagt der BUND, der Anzeige wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz gestellt hat. Stimmt nicht, sagt hingegen der Deges-Sprecher Ulf Evert, „wir haben dort nur markiert“. Zudem seien alle Arbeiten von der Naturschutzbehörde genehmigt worden.
Das wiederum wundert Jutta Leyrer, Leiterin des Zwergschwan-Schutzprojekts. „Die Schwäne werden nicht sofort sterben und Ausgleichsflächen finden“, sagt sie. Aber sie müssten zwingend in Ruhe gelassen werden, damit sie nicht unnötig Energie vor ihrem Rückflug in die Brutgebiete verlieren. Eiken Bruhn
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