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un-missionenEs geht um mehr als Dschenin

Mit allen Tricks und mit Duldung der USA hat die israelische Regierung versucht, die UN-Mission in Dschenin zu torpedieren. Die Wahrheit über die Ereignisse in dem palästinensischen Flüchtlingslager soll nicht an die Weltöffentlichkeit gelangen. Die Proteste der Vereinten Nationen oder auch der europäischen Regierungen blieben dabei lau. Wieder einmal bleiben im Geflecht der Machtfragen Menschenrechte auf der Strecke.

Kommentarvon ERICH RATHFELDER

Dabei ist der Versuch, mutmaßliche Kriegsverbrechen zu vertuschen, ein gravierender Vorgang. Das Scheitern der UN-Mission für Dschenin hat deshalb weit mehr als nur eine regionale Bedeutung: Sie demontiert die Autorität, die die Organisation bei vielen Konfliktparteien rund um die Welt besitzt, und sie gefährdet die mühsam erarbeiteten Fortschritte innerhalb der internationalen Institutionen.

Während der Kriege auf dem Balkan und im schwächeren Maße auch in Ruanda kristallisierten sich – wenn auch spät und für viele Menschen zu spät – grundlegende Prinzipien für eine internationale Realpolitik heraus. Angesichts des Genozids in Bosnien sollte nicht mehr dem Stärkeren Recht gegeben werden. Das militärische Eingreifen nach dem Schock des Massakers von Srebrenica 1995 und im Kosovo 1999 wurde deshalb vom Westen damit begründet, weitere Morde zu verhindern. Mit den Ruanda- und Jugoslawien-Tribunalen übernahm die UN die höchste Gerichtsbarkeit für Kriegsverbrechen. Und mit Zuckerbrot und Peitsche zwang die internationale Gemeinschaft die Gesellschaften der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, demokratische Standards einzuführen.

Seit den Balkankriegen ist die an nationalen Interessen orientierte Politik der Großmächte wenigstens zum Teil an allgemeingültige Prinzipien wie die der Menschenrechte angebunden. Unter US-Präsident Clinton wurde dies sogar zum Motor einer neuen internationalen Politik. Umso schärfer muss nun die Kritik an der Palästinapolitik der Bush-Administration ausfallen.

Der Rückfall in die von nationalen Interessen geprägte Machtpolitik ist ein zivilisatorischer Rückschritt und gefährdet das schon Erreichte. Die Nationalisten und Kriegstreiber auf dem Balkan werden die ungleiche Messlatte nutzen, um in ihrem Bereich nach Kräften die westliche Politik zu diffamieren – aber auch die Vereinten Nationen. Deswegen geht es bei der UN-Mission für Dschenin nicht nur um Dschenin, sondern auch um die UN selbst.

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