piwik no script img

taz-adventskalender (19)Siegesfeier über Google

Google hat sein Campus-Projekt im Kreuzberg nach Protesten aufgegeben. Grund genug für eine rauschende Party – und noch mehr Protest.

Straßenkunst in Kreuzberg Foto: Erik Peter

Nach dem christlichen Kalender wird die Frohe Botschaft ja erst am 24. Dezember verkündet. Weil es in diesem irdischen Jammertal aber so selten Grund zur Freude gibt, präsentieren wir bis Weihnachten täglich eine gute Nachricht.

Ein guter Tag für Berlin muss kein guter Tag für Kreuzberg sein. Ein guter Tag für Kreuzberg ist dagegen zwingend ein guter Tag für Berlin. An diesem Mittwoch ist so ein Tag: Kreuzberg feiert seinen Sieg über den Internetgiganten Google, der sich Ende Oktober nach hartnäckigen Protesten von seinen Plänen zur Errichtung eines „Google Campus“ verabschiedete. Für Berlin ist das gut: Wieder einmal hat die Stadt – zumindest einige ihrer BewohnerInnen – bewiesen, dass sie nicht einfach ein ergebenes Opfer der kapitalistischen Unterwerfung ist.

Dass die Entscheidung Googles, nach Kreuzberg zu gehen, ein „guter Tag für Berlin“ sei, wie Bürgermeister Michael Müller vor zwei Jahren sagte, war zwar Quatsch, hat sich aber im Nachhinein doch als richtig herausgestellt. Ohne die damalige Konzernentscheidung, das Umspannwerk Kreuzberg in Beschlag nehmen zu wollen, gäbe es am Mittwochabend im SO36 keine Feier des „grandiosen Sieges“, wie die Veranstalter sagen.

Recht haben sie ja: Ein halbes Dutzend Initiativen, die zwei Jahre lang den Kiez bespielten – mit monatlichen Lärmdemos, dicken Broschüren über Googles Überwachungswahn, Analysen über Folgen der sich ausbreitenden Start-up-Gentrifizierung, mit unzähligen Transparenten, Kundgebungen und nicht zuletzt einer Besetzung des Campus –, das ist eine Leistung, die auch die Effizienz eifriger Jungunternehmer in den Schatten stellt.

Ob der angefragte Schirmherr der Party vorbeikommt, ist fraglich. Denn das Motto hat Berlins FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja geliefert, indem er nach Googles Rückzug polterte: „Dieser Sieg wird Kiez- und Milieuschutz-Fanatiker nun weiter ermutigen, jegliche Veränderung radikal zu torpedieren.“

Genauso ist es: Die Veranstalter wollen Mut machen, „sich gegen die kapitalistische Stadtverwertung zu engagieren“. Eingeladen sind daher auch die Initiativen, die Kreuzberg lebenswert erhalten wollen, so auch die neuste Kampagne gegen ein geplantes 200-Zimmer-Hotel an der Ecke Skalitzer-/Mariannenstraße. Weitere große Tage nicht ausgeschlossen.

Siegesfeier: 19. 2., 20 Uhr, SO36

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das geplante Vorhaben Mariannenstrasse/Ecke Skalitzer soll wohl mehr als 200 Zimmer bekommen, dazu eine kleine Mall und bequeme Zufahrten für Reisebusse - mehr Informationen auch zu den Auswirkungen im Kiez und Schnittstelle zur Mitwirkung hier: nohostel36.noblogs.org/

  • "Für Berlin ist das gut: Wieder einmal hat die Stadt – zumindest einige ihrer BewohnerInnen – bewiesen, dass sie nicht einfach ein ergebenes Opfer der kapitalistischen Unterwerfung ist."

    Es ist immer für Berlin gut, wenn die Wirtschaft der Stadt den Rücken kehrt :) Hier in NRW ist Google jederzeit willkommen, Orte wie Dortmund, Duisburg oder Gelsenkirchen können vom Campusprojekt nur profitieren, sorgt es doch für Wohlstand und Jobs.