taz-Videoserie „Zuflucht Berlin“: „Meine Töchter sind hier glücklich“
Flüchtlinge kommen mit dem Zug, Bus, zu Fuß. Sie haben Strapazen und Ängste hinter sich – in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Hier erzählen sie ihre Geschichten.
Zum Kaffee reicht Kamar Jabal syrisches Baklava. Das süße Gebäck lässt sie sich extra von Verwandten aus Syrien schicken, ein Gruß aus der Heimat in der Wohnung in Prenzlauer Berg. Ansonsten ist die 28-Jährige mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern schon ganz und gar in Berlin angekommen, inklusive umfangreicher Erfahrungen mit den deutschen Behörden:
Denn eigentlich wollte sie eine arabische Konditorei eröffnen, doch die erforderlichen Genehmigungen ließen so lange auf sich warten, dass die angedachten Ladenräume schon an andere vergeben wurden.
Nun hofft Jabal, die vor zwei Jahren nach Deutschland kam, auf Arbeit in der Buchhaltung, denn als Buchhalterin hatte sie auch schon in Aleppo gearbeitet. Die Jobsuche und die ein oder andere Grammatikkonstruktion in der deutschen Sprache bereiten ihr manchmal Sorgen.
Empfohlener externer Inhalt
Zuflucht Berlin, Teil IV: Ramez Alsaid aus Syrien
Ramez Alsaid aus Damaskus hat viele Hürden genommen. Seit Juni 2013 ist er in Berlin, im Januar 2014 wurde der Asylantrag des heute 29-Jährigen anerkannt, seit März 2015 lebt er in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Wedding. Neben seinem Aushilfsjob in einem syrischen Restaurant besucht der gelernte Autoersatzteile-Verkäufer einen Deutschkurs. Er will ein Praktikum in seinem Beruf machen, die erste Bewerbung hat er schon geschrieben. Und: „Ich hoffe, bald Freunde zu finden.“
All das – Sprache, Arbeit, Freunde – hängt für ihn zusammen. „Meine Deutschkenntnisse sind nicht so gut, weil ich keine Kontakte habe.“ Dennoch sagt Alsaid von den BerlinerInnen nur Gutes: „Die Leute sind nicht nur nett, sondern auch menschlich.“ So habe die Leiterin seines früheren Wohnheims ihm geholfen, eine Wohnung zu finden.
Nachtrag: Kurz nach dem Interview fand Alsaid Arbeit als Brandschutzwache und Sicherheitsmann in einer Notunterkunft – was ihn freut, weil er nun anderen Flüchtlingen helfen kann. „Sie schlafen zu einhundert Menschen in einem Raum. Da hatte ich es besser, als ich kam.“
Empfohlener externer Inhalt
Zuflucht Berlin, Teil III: Obaid Al Yousouf aus Syrien
Wenn Obaid Al Yousouf von seiner Musik erzählt, wird sein Blick weit und das Zimmer im Wedding sehr klein. Bis zu acht Stunden hat der 28-Jährige täglich auf seiner Oud geübt, einer arabischen Kurzhalslaute. Ein besonderes Instrument, das Obaid in Syrien zurücklassen musste. „Es ist unmöglich, es auf der Flucht mitzunehmen.“ Statt Musik zu machen, wartet Obaid nun. Darauf, registriert zu werden.
Seit drei Wochen ist er in der Stadt, jeden Tag steht er am Lageso und schaut, ob sein Name auf einem Zettel steht. Fragt Obaid vor Ort, wie lange er warten muss, zucken die Verantwortlichen mit den Schultern. Keiner weiß es. Also wartet Obaid mit den vielen anderen Geflüchteten.
Obaid würde gern in Berlin bleiben, dort lebt sein Bruder, und die Stadt, sie ist auch Musik für ihn, in der U-Bahn, auf der Straße. Obaid hofft, in Deutschland in einem Orchester zu spielen, zu promovieren und irgendwann wieder auf seinem eigenen Instrument Musik zu machen. Aber das, sagt er, „ist ein weit entfernter Traum“.
Empfohlener externer Inhalt
Zuflucht Berlin, Teil II: Mohammed Abdalaziz aus Libyen
Wenn Mohammed Abdalaziz mit seinen Freunden aus Tripolis skypt, erzählt er ihnen, wie frei und friedlich Berlin ist. Bevor der junge Libyer palästinensischer Herkunft nach Berlin kam, hatte er in Tripolis gerade die Schule abgeschlossen und in einem Café gejobbt. Auf dem Nachhauseweg wurde er Zeuge einer Schießerei. Die Familie Abdalaziz beschloss das Land zu verlassen. Seit Juni 2014 lebt der 23-Jährige hier, zuerst in einer Flüchtlingsunterkunft in der Storkower Straße, seit Kurzem in einer Wohnung in Spandau.
Dass die Stadt so international und lebendig ist, gefällt ihm. Schwierig dagegen sei das Warten. Denn seit einem Jahr wartet die Familie nun schon auf ihren Asylbescheid.
Abdalaziz nutzt die Zeit, um einen Deutschkurs zu besuchen, auch ein Praktikum im Kindergarten hat er absolviert. Sobald er seine Aufenthaltsgenehmigung hat, möchte er „sein Leben hier beginnen“, studieren und eine Familie gründen. Und die Freunde in Tripolis? „Ich bin so glücklich hier zu sein“, sagt Abdalaziz ihnen.
Empfohlener externer Inhalt
Zuflucht Berlin, Teil I: George Awad aus Kairo
George Awad aus Kairo, lebt seit Februar 2014 in Berlin. Er trat seine Flucht allein an, reiste zunächst mit einem Visum nach Belgien, dann weiter nach Deutschland. In Dortmund meldete er sich in einer Erstaufnahmeeinrichtung an, später kam er nach Berlin.
Nach einigen Monaten im Asylbewerberheim in Lichtenberg, in denen nichts passierte, hatte er das Warten satt. Awad wird aktiv, sucht sich eine Wohnung und organisiert sich mehrere Praktika im Medien- und IT-Bereich. Dabei kommt er mit linguaTV, einem Produktionsstudio für Sprachlernvideos in Kontakt, für das er heute als Übersetzer für Englisch und Arabisch arbeitet.
Auch wenn sein Asylverfahren noch immer nicht abgeschlossen ist, Awad träumt davon, sein in Kairo begonnenes IT-Studium fortzusetzen. An Berlin schätzt er das multikulturelle Ambiente. „Ich brauche keine Sozialhilfe“, sagt der 21-Jährige, „ich brauche nur zwei Worte in meinem Ausweis: Arbeits- und Studienerlaubnis“.
Empfohlener externer Inhalt
In unserer taz-Videoserie „Zuflucht Berlin“ erzählt fünf Folgen lang jeden Dienstag ein/e Geflüchtete von seinem/ihrem Leben in Berlin. Wie haben sie ihre Ankunft erlebt, wo stehen sie im Asylverfahren, was haben sie für Träume und Erwartungen? AutorInnen des Projekts: Svenja Bednarczyk, Julia Boek, Rieke Havertz, Susanne Memarnia und Ronny Müller. Fotograf: Hayyan Al Yousouf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung