taz-Serie Nachtzugkritik: Da kann keine Wiege mithalten

Im Nightjet von Berlin nach Wien lässt es sich auch gut mit Kindern reisen – wenn man nicht gerade im Sitzwagen landet.

Der blaune Nachtzug am Berliner Hauptbahnhof

Ein Nightjet am Berliner Hauptbahnhof Foto: Rüdiger Wölk/imago

Wien taz | Es gibt angenehmere Dinge, als mit zwei Kindern im ICE von Berlin nach Wien zu sitzen. Vor allem in Zeiten der Pandemie. Da die Deutsche Bahn aber auch ohne Coronaviren in der Luft nicht familienfreundlich ist – vom Buchungssystem über das eine, eher mickrige Kleinkindabteil pro ICE bis hin zu dem Unverständnis, dem man begegnet, wenn man einen Kinderwagen mitführen muss –, sind wir dazu übergegangen, zwischen Berlin und meiner Heimatstadt Wien Nachtzug zu fahren.

Der Nightjet NJ457 der ÖBB fährt zwischen 18 und 19 Uhr in Berlin ab, gegen 7 Uhr morgens kommt er in Wien an. Wir sind die Strecke schon einige Male gefahren. Es gibt in der Regel Schlaf-, Liege- und Sitzabteile. Die Liegeabteile haben vier oder sechs Betten, die Schlafabteile eins, zwei oder drei.

Wir haben es bisher noch nie geschafft, ein Liegeabteil zu ergattern. Deshalb hatten wir meistens ein privates Schlafabteil mit drei Betten. Nur einmal mussten wir auf ein privates Sitzabteil ausweichen, weil alles ausgebucht war. Es war auf dem Rückweg von Wien nach Berlin, und es war furchtbar.

Die Kinder konnten auf den schmuddeligen, klappernden, ausgezogenen Sitzen zwar irgendwie schlafen, aber für uns Eltern war es die unbequemste Zugreise aller Zeiten. Es gab keine Vorhänge – weder am Zugfenster noch zum Gang. Es war laut, die Tür ließ sich nicht verschließen, die Durchsagen wurden nachts nicht pausiert und, was wir bis dahin aus dem Schlafabteil nicht kannten: In jedem Land wurden von wechselndem Personal unsere Tickets kontrolliert, ganz egal zu welcher Uhrzeit. Auf dieser Strecke bedeutete das: Österreich, Tschechien, Polen, Deutschland – klopf, klopf – „Die Fahrkarten bitte!“

Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Ange­bote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden.

Alle vorherigen Folgen finden Sie auf www.taz.de/nachtzugkritik.

Aber zurück zum Schlafabteil: Das erste Mal sind wir diese Strecke gefahren, da war unser kleines Kind drei Monate alt. Die Zugführerin war sehr zuvorkommend und hat uns mit dem Kinderwagen nicht nur geholfen, sondern ihn auch in einem anderen Abteil verstaut. Leider ein Einzelfall.

Das Betten-Dilemma

Die Betten sind bei Einstieg noch nicht ausgeklappt, das macht das Zugpersonal auf Abruf. In die Fächer unter der Waggondecke passen zwei große Koffer. Das Handgepäck muss dann aber schon auf den Boden, unter und neben den schmalen Klapptisch. Wenn dann noch ein Kinderwagen ins Abteil muss und die Leiter zu den Betten hängt, kann man sich kaum noch bewegen. Auch die kleine Waschnische ist dann nicht mehr aufzuklappen.

Mit einem Baby kann man sich ein Bett teilen, aber als das Kind bei unserer letzten Reise schon über ein Jahr alt war, wurde es eng. Leider ist das oberste Bett das kleinste. Und auch wenn es mit einem Netz gesichert ist, für das vierjährige Kind ist das zu hoch. Also musste mein Partner sich da oben zusammenkauern. Er trug es mit Fassung, aber es geht natürlich gemütlicher.

Sobald der Zug rollt, bestellen wir meistens schon Abendessen und füllen das Frühstücksformular aus. Es gibt warmes Essen, auch vegetarisch oder vegan, und für Zugessen ist es in Ordnung. Ein kleiner Beutel mit Sekt, Snacks und Schlappen wartet im Abteil. Das Frühstück allerdings ist verbesserungsbedürftig. Die Brötchen schmecken wie drei Tage alt und der Kaffee ist nicht zu trinken.

Für die Kinder ist es jedes Mal ein Abenteuer, im Zug zu schlafen. Langeweile kommt nicht auf, weil sie erst sehr aufgeregt und dann sehr müde sind. Mit dem Gewackel der Bahn kann keine Wiege mithalten. Sie schlafen schnell ein, und wir Eltern können uns ausruhen. Eine Erfahrung, die wir bisher bei keiner Bahnfahrt tagsüber gemacht haben.

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