taz-Serie Nachtzugkritik: Immerhin ohne Schnarcher
Von Freiburg bis Berlin ist die Nacht kurz. Doch womöglich auch das nicht mehr lange – schließlich will die Bahn die Strecke nun aufgeben.
Abfahrt in Freiburg ist um 21.58 Uhr, Ankunft in Berlin um 6.30 Uhr. Fahrtdauer also achteinhalb Stunden, nur zwei Stunden länger als tagsüber. Für die Gegenrichtung gilt Ähnliches.
Da ich meine Fahrtkosten selbst bezahle, bin ich sparsam und buche den Liegewagen. Inzwischen kostet er im Sechser-Abteil 26 Euro pro Person (zusätzlich zum Fahrpreis). Seit diesem Jahr bleibt eine der Liegen als Ablage für Gepäckstücke frei, sodass sich maximal fünf Personen das Abteil teilen. Von diesen Mitreisenden bekomme ich meist wenig mit, da ich mich in der Regel nicht vor zwei Uhr schlafen lege. Vorher bin ich einfach nicht müde. Schnarcher hatte ich zum Glück schon lange keine mehr im Abteil. Ich schlafe also meist ganz ordentlich, wenn auch etwas kurz.
Früher, als die Nachtzüge noch Speisewagen hatten, bin ich nach dem Beziehen der Liege erst mal dorthin gegangen, um zu essen und zu arbeiten oder Zeitungen zu lesen. Jetzt gibt es nur noch trostlose Bistro-Schalter mit einer Handvoll Stehplätze. Wohlmeinende Schaffner reservieren manchmal ein nahes Abteil für Gäste, die beim Essen auch sitzen möchten. Ansonsten nutze ich einen freien Platz im Sitzwagenbereich oder setze mich im Fahrradabteil auf den Boden, um dort zu arbeiten. Im Fahrradabteil findet sich nämlich eine der wenigen Steckdosen im Nachtzug.
Wir Nachtzugfreunde sind gespannt
Das ist der Charme eines Angebots, das eh bald eingestellt wird. Die Deutsche Bahn AG will die Strecke Berlin–Zürich (über Freiburg) ja aufgeben – wie alle anderen Nachtzugstrecken auch. Immerhin wollen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen Teil der deutschen Nachtzugstrecken übernehmen. Es ist zu vermuten, dass auch meine Verbindung dabei ist, weil es eine der am besten ausgelasteten ist.
Nachtzüge sind umweltfreundlich – und vom Aussterben bedroht. Die taz stellt deshalb ab sofort in unregelmäßigen Abständen Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Angebote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was noch besser werden muss, damit Nachtzüge für noch mehr Menschen attraktiver werden. (jma)
Wir Nachtzugfreunde sind gespannt, was der Betreiberwechsel bringen wird. Dass mehr Komfort für ähnliches Geld möglich ist, hat die DB früher mit den spanischen Talgo-Wagen auf der Strecke Berlin–München gezeigt (30 Euro für eine bequeme Zweierkajüte). Wichtig wäre natürlich auch, dass die Bahncard 100 auch in den ÖBB-Linien gilt. Wenn die Deutsche Bahn es schon nicht hinbekommt, selbst Nachtzüge anzubieten, sollte sie wenigstens mit der ÖBB kooperieren. Auf eine entsprechende Anfrage hat die Deutsche Bahn allerdings ausweichend geantwortet. Kein gutes Zeichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja