taz-Serie Hamstertouren mit dem Rad (4): "Spargel bringt Leben ins Dorf"
Berliner suchen die Natur - Brandenburg hat davon reichlich. Die taz fährt mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 4: Der Spargelhof von Familie Falkenthal.
Schlunkendorf bei Beelitz ist umgeben von Spargelfeldern. Auf den Abdeckfolien reflektiert die Sonne wie auf einem See. Im Innenhof von Familie Falkenthal stehen Tische und Stühle für Gäste bereit. Petra Falkenthal steht im gekachelten Verkaufsraum hinter bunten Spargelkisten.
"In unserer Gegend wurde schon immer Spargel angebaut, aber in der DDR war das nur für den eigenen Bedarf. Da haben sich sechs, sieben Familien zusammengeschlossen, und jeder hatte dann ein paar Reihen auf dem Dorffeld. Dass das jetzt so explodiert ist mit der Anbaufläche, dieses Wirtschaftswunder, das kam erst nach der Wende.
Die LPGen wurden aufgelöst, jeder bekam so ein Stückelchen Land zurück. Man hat sich zurückerinnert an die Spargeltradition, das lag so in der Luft, irgendwas musste man ja auch machen. Mein Mann kam eines Abends und sagte: ,Wir vier', also das waren Männer aus dem Dorf, ,wir vier haben uns unterhalten, wir pflanzen jetzt Spargel an.'
Allgemein: Diese Radtour macht glücklich! Sie beginnt im Speckgürtel von Berlin und wird von Dorf zu Dorf ländlicher. Die Strecke verläuft größtenteils auf asphaltierten, autofreien Wegen und ist auch für Kinder gut geeignet. Unterwegs gibt es zahlreiche Einkehrmöglichkeiten. Start ist der Bahnhof Wannsee, Endziel der Bahnhof Beelitz. Letzte Rückfahrt mit der Märkischen Eisenbahn um 20:47 Uhr nach Wannsee. Achtung: Verbindung vorher prüfen, da ab und an Ersatzverkehr mit Bussen! Alternativ geht stündlich der Regionalexpress ab Beelitz Heilstätten direkt nach Berlin. Tourenlänge ca. 40 km.
Empfohlene Karte: Potsdam Havelland (ADFC Regionalkarte) 6,80 Euro. Sehr zu empfehlen ist das vierteilige Kartenset Berlin und Umgebung (Kompass) für 16,95 Euro
En Detail: Vom Hauptausgang des Bahnhofs Wannsee rollen wir links den Berg runter, fahren unter der Eisenbahnbrücke hindurch und biegen nach der Brücke rechts in den Teerweg, der in den Wald führt. Auf diesem fahren wir nach einer Linkskurve immer geradeaus durch den Wald, durch das Gewerbegebiet Europark, über die Autobahnbrücke, durch die ersten Häuser von Kleinmachnow (Stahnsdorfer Damm), über die Straßenkreuzung und die Kleinmachnower Schleuse. Kurz nach dem Ortsschild Stahnsdorf, noch vor dem griechischen Restaurant biegen wir rechts in den Wald (Wegweiser Fontaneweg), kommen auf der Alten Potsdamer Landstraße wieder raus, nehmen diese in rechter Richtung (Wegweiser Fontaneweg). Nach einem guten Kilometer, die Teerstraße ist inzwischen zum Schotterweg geworden, biegen wir links ab (Wegweiser Fontaneweg, Südwestfriedhof). Rechterhand liegt der morbide Südwestfriedhof mit seinen Prominentengräbern aus dem letzten Jahrhundert. Auf der Bahnhofsstraße bleibend überqueren wir die große Potsdamer Allee und radeln durch eine Stahnsdofer Einfamilienhaussiedlung, bis wir auf die Bergstraße stoßen. Auf diese rechts abbiegen, so gelangen wir auf die Straße nach Güterfelde, die derzeit wegen Straßenbauarbeiten für Autos gesperrt ist. Vorbei an der Dorfkirche folgen wir dem Kreisverkehr Richtung Michendorf, lassen den Güterfelder Haussee rechts liegen und fädeln uns beim nächsten Kreisverkehr links Richtung Schenkenhorst ein. Nach zwei Kilometern fahren wir rechts ins Dorf. Am Ortsausgang befindet sich ein Reiterhof mit einem Kleintiergehege. Kinder sind von den Ziegen und Minischweinen erstmal nicht mehr wegzubringen.
Der Fahrradweg führt weiter nach Nudow, wo wir relativ bald nach Ortseingang und Bushaltestelle in den Weg Zur Mühle einbiegen. Abzweig nicht verpassen! Der Weg unterquert die Zuggleise und schlängelt sich dann romantisch an einem kleinen Flüsschen entlang. Dass man dafür wegen des Sandes ab und an ein paar Meter schieben muss, geht in Ordnung. Wir bleiben immer rechts des Flüsschens, bis wir auf die Autostraße kommen. Auf dieser gelangen wir links über Fahlhorst nach Gröben (ca 3,5 km Autostraße). In Gröben ist gut die Hälfte der Strecke bewältigt und Mittagspause angesagt. Es gibt mehrere Gaststätten, unter anderem das kulinarisch oft gelobte, aber hochpreisige Landhotel Theodor Fontane. Ich empfehle unbedingt den Besuch des Gasthofs Naase, direkt neben der Kirche. Das Gasthaus wird in 14. Generation von der Familie bewirtschaftet, wer eintritt, erlebt eine Zeitreise. Man sitzt ungezwungen auf klapprigen Gartenstühlen, die alte Wirtin bedient, der Sohn kocht, die Spargelportionen sind riesig. Danach sollte man sich den Besuch der wunderschönen Dorfkirche nicht entgehen lassen, die offen ist. Spätestens ab hier ist man glücklich, dabei wird die Tour erst jetzt so richtig schön.
Wir rollen am Gasthof Theodor Fontane vorbei geradeaus in das Naturschutzgebiet Nuthe-Nieplitz. An der Kreuzung rechts abbiegen, durch Tremsdorf geht es hindurch, am Ortsausgang links abbiegen und über ein paar Hügel weiter bis Fresdorf radeln. Dort hat sich am Dorfanger eine kleine, romatische Weinstube angesiedelt. Nach dem Dorfanger biegen wir vor dem Gasthof links ab in die kleine Straße nach Kähnsdorf (Wegweiser Kähnsdorfer See, Seddiner See). Bald gelangen wir an den Seddiner See (schöne Sandbucht zum Baden) und am Wasser entlang nach Kähnsdorf. Der Straße folgen wir weiter bis zum Findlingsgarten. Der Besuch ist gratis und lohnend. Nach dem Findlingsgarten aufpassen: Es gibt zwei Naturwege, die links von der Straße abgehen. Der eine mit Wegweiser "Stücken" führt am Findlingsgarten entlang - diesen nicht nehmen! Dafür aber den nächsten, der etwas unwirtlich aussieht und direkt in den Wald geht. Nach drei Kilometern tauchen die ersten Häuser von Schlunkendorf auf, der Spargelhof Falkenthal liegt links an der Straße. Gegenüber befindet sich das kleine Spargelmuseum. Nach der Kaffeepause sind es noch ca. 5 km nach Beelitz. Wir halten uns auf der Straße rechts und achten auf die Wegweiser „Spargelrundweg“. An einem blauen Toilettenhäuschen biegt der Spargelrundweg von der Straße ab und führt über das freie Feld. Den Abzweig zur deutlich sichtbaren Mühle nehmen, von dort zur Hauptsraße. Nun müssen wir nur noch über die Kreuzung geradeaus nach Beelitz reinfahren. Auch nach der zweiten Kreuzung geradeaus, bis man an die Gleise kommt, der Bahnhof liegt rechterhand. Ab hier fährt alle zwei Stunden die Märkische Eisenbahn nach Wannsee. Letzter Zug: 20:47 Uhr. Vorher Fahrplan prüfen, ab und an ist wegen Bauarbeiten Schienenersatzverkehr ohne Fahrradmitnahme. Wenn das der Fall ist oder der Zug wegen Überfüllung keine Fahrräder mehr annimmt, tritt Plan B in Kraft.
Plan B: Wir fahren die wenigen Meter zurück zur Straße, biegen auf diese rechts ab und folgen dem Kreisverkehr Richtung Freienwalde. Nach ca 5 km erreichen wir den Bahnhof Beelitz Heilstätten. Ab hier fährt stündlich der Regionalexpress nach Berlin.
Und dann war das so. Ich hatte damals Arbeit bei einer Krankenkasse. Aber als der Betrieb immer größer wurde, habe ich gekündigt und beim Spargel das Büro gemacht. Das ging ein paar Jahre gut, dann gab es Streit. Vier Gesellschafter, vier Meinungen. 2005 haben wir uns ausgeklinkt. Seitdem existiert unser kleiner Hof. Ich fühle mich wohl, bin nur mir selbst und der Familie Rechenschaft schuldig.
Am meisten Spaß macht mir der Umgang mit den Kunden. Die Hälfte unserer Ernte verkaufen wir ab Hof. Die meisten sind schon seit Jahren Stammkunden, auch viele Berliner sind dabei, die kommen extra rausgefahren. Da gibt es richtige Sammelbestellungen vom ganzen Haus. Die Spargelzeit ist ja sehr arbeitsintensiv, aber ich genieße das. Plötzlich ist Leben im Dorf. Auf der Straße ist was los, Autos fahren hin und her, Besucher gehen spazieren, überall auf den Feldern sieht man Menschen.
Ich stehe um fünf Uhr auf. Um sechs stehen die Händler vor der Tür, um ihre Ware abzuholen. Ab sieben wird am Band der Spargel vom Vorabend sortiert. Der muss über Nacht mit 2 Grad Celsius gekühlt werden, sonst läuft er rosa an. Dann kommt auch schon die erste Lieferung frischer Ware vom Feld. Da arbeiten drei polnische Stecher, die sind von Anfang an dabei. Am besten wächst Spargel bei Temperaturen um 20 Grad. Man will die Ernte ja möglichst früh, deshalb deckt man die Dämme mit schwarzer Folie ab. Wenn es wärmer wird, drehen wir die Folie um. Auf der Rückseite ist sie weiß. Schlimm ist es, wenn so eine Hitzewelle kommt.
Spargel wächst ja so schon einen Zentimeter in der Stunde. Aber bei Hitze explodiert er, da kocht der Spargel förmlich in der Erde. Wir haben in den Dämmen schon Temperaturen von 50 Grad gemessen! Da gehen die Köpfe auf wie bei einem Blumenkohl, und die Stecher kommen nicht mehr hinterher. Die Planen sehen aus, als stünden Zeltstangen darunter. Wir haben jetzt ein paar neue Felder angelegt. Aber es dauert drei Jahre, bis man Spargel voll ernten kann. Nach sechs bis acht Jahren sind die Flächen erschöpft, dann muss etwas anderes drauf. Viele pflanzen Erdbeeren, deshalb gibt es auf den Spargelhöfen meist auch Erdbeeren zu kaufen. Wir sind aber zu klein für eine zweite Frucht und machen mit anderen Landwirten einen Flächentausch. Die bauen dann zum Beispiel Getreide an. Im Vergleich zu den anderen Spargelhöfen sind wir mit viereinhalb Hektar Anbaufläche winzig. Der durchschnittliche Spargelbauer hat um die hundert Hektar.
Wir machen das auch nur im Nebenerwerb, mein Mann hat eine ganz normale Arbeit. Aber mir reicht das, klein und idyllisch. Stück für Stück haben wir uns das aufgebaut. Zuerst gab es nur den Verkauf. Dann fanden die Kunden unseren Hof so schön, und wir haben ein paar Tische hingestellt, unter Sonnenschirmen. Jetzt gibt es ja eine richtige Terrasse, und vor ein paar Jahren hat mein Sohn die alte Scheune ausgebaut, sodass man auch bei kaltem Wetter schön sitzen kann. Am Wochenende gibt es Kaffee und Kuchen, aber ohne Rummel und Musik.
Ich liebe die Ruhe, wenn man die Vögel zwitschern hört. Den Kuchen backe ich selbst. Blechkuchen, das mögen die Leute. Und dazu noch eine Käsetorte."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!