taz-Recherche zu rechtsextremen Preppern: Vorbereitung auf den „Rassenkrieg“
Geleakte Chatprotokolle zeigen: Bundeswehr-Reservisten bildeten eine rechtsextreme Preppergruppe. Einer von ihnen diente in einem Corona-Krisenstab.
Der taz liegen geleakte Facebook-Chats vor, in denen sich die Prepper ab September 2015 austauschten. Darin finden sich zahlreiche rassistische Äußerungen der Gruppenmitglieder, deren Identitäten der taz bekannt sind. Vor dem Hintergrund des Zuzugs von Geflüchteten sprachen die Handvoll Männer und Frauen von einem kommendem „Rassenkrieg“ und besprachen die teils illegale Beschaffung von Waffen und Munition. Sie verabreden sich auch regelmäßig zu Schießtrainings.
Für eine drohende Krisenlage gab es in der Gruppe Überlegungen, ihren Rückzugsort, ein Dorf in Nordsachsen, das der taz bekannt ist, mit Barrikaden und einem eigenen „militärischen Arm“ zu verteidigen. Entscheidend sei laut einer Chatnachricht: „Keine dumme Polizei oder BW [Bundeswehr] in der Nähe, die in der Krise mehr Unruhe machen als Schutz dienen, das können wir selber!“
Der Reservist im „Stab Außergewöhnliche Ereignisse“, Gunnar G., ist ein Zahnarzt aus dem Leipziger Umland, er selbst war Teil der Gruppe, aber nicht persönlich im Facebook-Chat. Dort hat ihn seine Ehefrau ausführlich zitiert. So heißt es dort unter anderem, dass er sich 2015 Schlagstöcke und Schusswesten bestellt habe. Ein Mitglied des Stabs gibt der taz gegenüber an: „Ich hatte das Gefühl, der hat sich da reingedrängelt. Der war so heiß, in dem Gremium zu sitzen.“
Der Traum von der Übernahme
Aus den Chat-Unterhaltungen geht hervor, dass die Männer ihren Reservistenstatus gezielt für ihre private Kampfvorsorge nutzen wollten. In einer Nachricht motiviert der spätere AfD-Fraktionsmitarbeiter und Reserveoffizier Michael S. einen Freund aus der Gruppe, sich ebenso als Reservist zu melden: „(…) wenn es nur darum geht nen Ausweis zu bekommen und ne Uniform, damit kann man dann in der Übergangszeit als Vertreter der Staatsmacht auftreten und Enteignungen durchführen“.
Michael S. ist seit mindestens 2012 Funktionär des Reservistenverbandes Sachsen, des ehrenamtlichen Teils der Reservistenorganisation. Er hat nach eigener Aussage in den Chats regelmäßig an Wehrübungen teilgenommen. In dem Gruppen-Chat schreibt Michael S.: „Gottlob hat Mitteldeutschland bei so manchem Kanaken keinen so tollen Ruf und zudem nicht die gewachsene Kanakeninfrastruktur wie im Westen … Volk will eben am liebsten zu Volk …“ Zwar seien „die Deutschen verschlafft“, aber man sei „denen an Zahlen noch überlegen“.
Die Männer der Gruppe sind alle Mitglied der Burschenschaft Germania Leipzig, die dem völkischen Dachverband Deutsche Burschenschaft angehört. In internen Chatnachrichten, die der taz vorliegen, träumen Mitglieder dieser Burschenschaft offenbar davon, als Freikorps-Kämpfer die Republik zu übernehmen. 2015 heißt es im Burschenschafts-Chat: „Unser Gedanke ist, die Ortgruppe Leipzig [der „Identitären Bewegung“] zu übernehmen und daraus ein neues Zeitfreiwilligenregiment aufzubauen.“ Es sollte „militanter“ sein als die bislang stärkste deutsche Gruppe der Identitären Bewegung in Halle. Die Burschenschafter äußern sich in zahlreichen Chatpassagen rassistisch und antisemitisch. Mehrere von ihnen sind für AfD-Fraktionen tätig gewesen.
Teil der Gruppe ist auch ein Ehepaar aus einem Dorf in der Nähe von Leipzig, die sich als Pflegeeltern einbringen. Der Vater ist als offiziell eingesetzter Friedensrichter seines Ortes mit der Schlichtung von Streitigkeiten betraut. In einer Chatnachricht lehnt er den demokratischen Rechtsstaat ab: „Prinzipiell wäre ich ja auch für ein einfaches Rechtssystem“, schreibt er. „Es gibt als Strafen nur die Todesstrafe und vogelfrei … würde auch ne Menge Geld sparen …“
An einer anderen Stelle fantasiert er von Kopfschüssen und schildert, dass seine Armbrust „durch Menschen durch auf 15 Meter Entfernung“ schieße. Seine Frau saß bis Mai 2019 für die CDU im Gemeinderat. Im Chat bezeichnet sie Flüchtlinge als „Kanacken“ und schreibt über Personen, die sich flüchtlingsfreundlich geäußert haben: „Dieses rote Pack. Ich könnte nur kotzen …“ Mitglieder der Gruppe haben regelmäßig bei Pegida in Dresden und dem radikaleren Leipziger Ableger Legida demonstriert.
Keines der Gruppenmitglieder hat sich auf taz-Anfrage auf ein Gespräch eingelassen oder sich von den Aktivitäten oder geäußerten Ideen distanziert. Das Landeskommando Sachsen-Anhalt der Bundeswehr, das für die Reservisten zuständig ist, reagierte nicht auf eine taz-Anfrage. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen teilte auf taz-Anfrage mit, dass keine Informationen zu einer solchen Gruppe vorlägen. Bei keiner Burschenschaft im Land gebe es derzeit Anhaltspunkte für eine rechtsxtreme Gefahr. Auch der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt hat nach taz-Informationen offenbar keine Erkenntnisse über die Gruppe.
Empfohlener externer Inhalt
16.000 Reservisten der Bundeswehr haben sich zum Corona-Einsatz gemeldet. Sie sollen bei Bedarf Amtshilfe leisten, sei es in der Logistik, im Sanitätsbereich oder in Gesundheitsämtern. Reservisten werden nur dann vom Militärischen Abschirmdienst (MAD), dem Bundeswehrgeheimdienst, auf extremistische Gesinnung überprüft, wenn sie gerade im aktiven Dienst der Bundeswehr stehen. Aufgrund rechtsextremer Vorkommnisse rund um eine Preppergruppe in Norddeutschland hatte der MAD gemeinsam mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz 2017 eine Arbeitsgruppe gegründet, um sich besser über extremistische Verdachtsfälle austauschen zu können. Seitdem wurden 773 Reservisten laut MAD wegen Extremismus-Bezügen „dauerhaft von ihrer Dienstleistungspflicht freigestellt“.
Eine Langfassung des Textes finden Sie hier.
Die gesamte Recherche über die rechtsextreme Gruppe, ihre Mitglieder und Verbindungen lesen Sie in der taz am Wochenende vom 6./7. Juni 2020.
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