taz Panter Workshop : Austausch im geschütztem Raum
Ein Workshop mit Journalist:innen aus Osteuropa ist zu Ende gegangen. Es folgen Präsentationen des kollektiven Tagebuchs „Krieg und Frieden“ in Bremen und Stuttgart.
VON OLE SCHULZ
07.11.22, taz Panter Stiftung | Wie man Kindern den Krieg erklären soll, fragt sich Tatjana Milimko oft. Die ukrainische Journalistin schreibt darüber auch regelmäßig. In den ersten Tagen der Bombardierung ihrer Heimatstadt Odessa forderte sie die Erwachsenen in ihrer Umgebung etwa auf, „dass wir nicht laut weinen, nicht aus Angst vor den Schüssen schreien und nicht in Ohnmacht fallen sollten. Denn Kinder beobachten unser Verhalten und lernen daraus“.
Dieser Text wurde auch bei einer Veranstaltung mit geladenen Gästen in der taz Kantine vorgelesen. Es war der Abschluss eines einwöchigen Panter-Workshops mit Journalist:innen aus der Ukraine, Belarus, Russland, Georgien, Armenien und Moldau. Anders als sonst üblich fand dazu keine öffentliche Debatte mit freiem Zugang statt. Angesichts des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine sollte den Teilnehmer:innen vielmehr ein geschützter Raum zum Austausch über Ländergrenzen hinweg geboten werden.
Hier finden Sie weitere Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung.
Ein Workshop mit Kolleg:innen aus Osteuropa unter der Leitung der taz-Redakteurin und Osteuropa-Expertin Barbara Oertel war im Jahr 2011 der erste Workshop mit internationaler Ausrichtung, den die taz Panter Stiftung je durchgeführt hat. Es folgten viele weitere – darunter regelmäßig solche mit Journalist:innen aus Osteuropa und aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion.
Regionale Expertise
Diese regionale Expertise wurde wieder wichtig, als Russland Ende Februar den brutalen Krieg gegen die Ukraine begann. Ehemalige Teilnehmer:innen der Osteuropa-Workshops schreiben seither regelmäßig für die taz – vor allem für die von der Panter Stiftung aufgelegte tägliche „Tagebuch“-Kolumne. Oft sind es persönlich gefärbte Geschichten. Tigran Petrosyan, Leiter der Osteuropa-Projekte der Panter Stiftung, hat aus diesen Texten den Band „Krieg und Frieden. Ein Tagebuch“ zusammengestellt.
Der von der Panter Stiftung herausgegebene Band „Krieg und Frieden. Ein Tagebuch“ wird am 24.11. in Bremen und am 6.12. in Stuttgart vorgestellt. Genauere Infos folgen demnächst.
Die hier versammelten Autor:innen bildeten den Kern des zu Ende gegangenen Workshops. In Berlin haben Sie auch an Texten gearbeitet, die am 11. November als achtseitige Beilage in der taz veröffentlicht werden (hier online und als pdf). Was die Journalist:innen aus Osteuropa bei allen Unterschieden verbindet, sind die oft schwierigen Umstände ihrer Arbeit: Ein Teil der russischen Kolleg:innen hat das Land verlassen, andere harren vor Ort aus; anderswo wird unter Pseudonym geschrieben – nicht nur in Russland kann die Arbeit als Journalist:in gefährlich sein.
Bei den männlichen Journalisten aus der Ukraine war es dagegen lange unsicher, ob sie ausreisen dürfen. Tatjana Milimko aus Odessa wiederum war schon zur Genossenschaftsversammlung der taz im September nach Berlin gekommen – angereist mit ihren beiden Söhnen in einer zweitägigen Autofahrt vom Schwarzen Meer. Ein Kollege von Tatjana aus Kyjiw will gleich nach dem Workshop zu seiner alten Großmutter fahren. Sie lebt in einem Dorf, das vor Kurzem noch unter russischer Besatzung stand. Ihr Haus ist von Angriffen schwer beschädigt. Sie hat keinen Strom mehr, will aber trotzdem nicht weg – Alltag in der Ukraine.
Osteuropahistoriker Karl Schlögel hatte zu Beginn des Workshops ausgeführt, dass die Ukraine lange Zeit als Forschungsgegenstand vernachlässigt wurde. Stalin und Hitler, Holodomor und Holocaust, das sind die zwei Traumata der Ukraine. Laut Schlögel ist es auch aufgrund unser historischen Verantwortung wichtig, dass wir jetzt solidarisch an der Seite der Ukraine stehen.
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Die taz Panter Stiftung hat um Wortspenden für ukrainische, russische und belarusische Journalist:innen gebeten, die seit Kriegsbeginn für die taz berichten. Hier können Sie die Wortspenden nachlesen.