taz-Community über Klimaproteste: „Grenzen bewusst überschreiten“
Muss die Klimabewegung, um gehört zu werden, radikaler werden? taz-LeserInnen teilen ihre Vorstellungen für die Proteste der Zukunft.
Droht demnächst Klimaterrorismus von enttäuschten Aktivist:innen, die Kohlebagger nicht nur besetzen, sondern vielleicht auch beschädigen? Ist das folgerichtig oder verspielt das die Sympathie der breiten Öffentlichkeit? In den vergangenen Wochen wurde über die Zukunft der Klimabewegung diskutiert.
Auf unserem Instagram-Kanal zur Klimakrise haben wir unsere Community gefragt: „Sollte die Klimabewegung radikaler werden? Wie kann sie sich mehr Gehör verschaffen?“
Viele haben geantwortet, dass es mehr zivilen Ungehorsam geben sollte. Andere haben Radikalität auf ungewohnte Weise interpretiert: Guerilla Gardening oder die Bewegung einfach einzustellen, schlagen sie als radikale Handlungsmöglichkeiten vor. Aber es gibt auch andere Stimmen, die mehr Kreativität in Aktionsformen fordern oder den Eintritt in Ortsvereine von Parteien. Hier veröffentlichen wir eine Auswahl der Antworten.
„Sollte die Klimabewegung radikaler werden? Wie kann sie sich mehr Gehör verschaffen?“
„Um uns Gehör über die Dringlichkeit der Klimakatastrophe zu verschaffen, müssen wir jetzt mit gewaltfreiem, zivilem Ungehorsam auf die Straßen gehen und die Regierung mit Mut und Entschlossenheit zum Handeln bewegen. Wir müssen die Orte, an denen Ungerechtigkeit verursacht wird, immer wieder blockieren und auf das Problem aufmerksam machen. Wir müssen Grenzen bewusst überschreiten und einfordern, was zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen notwendig ist – so lange, bis wir den dringlichen Systemwandel erreichen.“
Resi Allgaier, 22, Tierrechts- & Umweltaktivistin
„Ich finde die Klimabewegung nicht destruktiv. Deswegen hat auch noch nicht der Porsche vom Minister gebrannt. Wie radikal soll es noch werden, wenn man konstruktiv bleiben möchte? Mit dem verdienten und notwendigen Respekt und der daraus folgenden schnellen Handlung ist leider nicht zu rechnen. Da fällt mir als radikaler Weg nur noch die Abschaffung der Bewegung ein. Mal sehen, was die Politik dann plötzlich für Vorschläge hat, wenn sie nicht zugeben muss, dass die jungen Menschen vielleicht doch richtig lagen.“
Ruby Heimpel, 31, Bühnenbildnerin
„Wir sollten uns nicht mehr (nur) vor Parlamente stellen, sondern zu Hause einer Partei beitreten! Es sind die Kommunen, die schnell und wirkungsvoll verändert werden können. Viele Ortsvereine sind über jeden Beitritt glücklich. Hier können wenige Menschen die Parteilinie bestimmen. Das klingt unspektakulär, aber tatsächlich entscheiden die Kommunen, wie viele Parkplätze, Solarplatten, Fahrradwege oder Fahrverbotszonen sie bauen, wie häufig der Öffentliche Nahverkehr fährt und wie die Stadtwerke Strom produzieren.“
Jonathan Schackert, 19, Student
„Die Klimabewegung mag das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben, jedoch sind Lobbyist:innen immer noch erfolgreich dabei, zentrale Entscheidungen für den Klimaschutz abzuschwächen, zu verwässern, oder zu verzögern. Wenn die Bewegung erfolgreich sein will, müssen wir fossile Emissionen auch entgegen staatlicher und wirtschaftlicher Interessen unterbinden. Aufgrund der gegebenen gesellschaftlichen Umstände bin ich davon überzeugt, dass dies nur durch die gewaltsame Veränderung der vorherrschenden Besitz- und Machtverhältnisse geschehen kann.“
Nils K., 29, Sachbearbeiter
„Guerilla Gardening ist niedrigschwellig, öffentlich sichtbar und kann der Bewegung ein positives Image geben, da es zwar radikal, aber nicht zerstörerisch oder blockierend ist. Die Effekte sind beispielsweise durch das Beobachten von Insekten in Blühwiesen oder eine Abkühlung durch schattenspendende Pflanzen für jede*n direkt erfahrbar und bleiben somit im Gedächtnis. Zudem ist es mit einfachen Mitteln umsetzbar, wodurch eine breite Masse angesprochen werden kann.“
Katharina Schmalkuche, 28 Jahre, Heilerziehungspflegerin
„Die Klimabewegung muss es schaffen, den Druck auf Gesellschaft und Politik aufrecht zu erhalten. Egal wie viele Leute demonstrieren gehen, die Politik ist immer noch nicht auf dem Pariser Pfad. Junge Menschen fühlen sich von der Politik nicht gehört, weshalb der Kreativität an Protesten keine Grenzen gelegt werden sollten – unter der Bedingung, dass sie friedlich und gewaltfrei sind. Proteste wie Waldbesetzungen oder Menschenketten vor Lützerath sind gute Ansatzpunkte, um mehr Druck auszuüben.“
Nils V., 22, Student
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