stoiber: islamisten raus: Unseriös und undemokratisch
Wie demokratiefähig ist CSU-Chef Edmund Stoiber? Er will dem „Sicherheitspaket II“ nur dann zustimmen, wenn Bundesinnenminister Otto Schily bereit ist, 31.000 Mitglieder von Organisationen abzuschieben, die der Verfassungsschutz als islamisch-extremistisch einstuft.
Kommentarvon EBERHARD SEIDEL
Stoibers Forderung ist verantwortungslos – denn sie rückt alle Anhänger des politischen Islam in Deutschland unterschiedslos in die Nähe der mutmaßlichen Attentäter vom 11. September. Zudem unterstellt der CSU-Chef, dass schon allein die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht etwas über die Gefährlichkeit einer Organisation aussagen würde. Und schließlich suggeriert er, der politische Islam sei ausschließlich ein ausländerrechtliches und importiertes Problem. Nichts davon trifft zu.
So kann man der größten Gruppe des politischen Islam, der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), vieles vorhalten: ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit und zum Grundgesetz, halbseidenes Finanzgebaren und Einschüchterungsversuche gegenüber kritischen Journalisten. Aber die IGMG auf eine Stufe mit Bin Laden zu stellen ist so seriös, wie die rechtspopulistische CSU mit den rechtsterroristischen „Skinheads Sächsische Schweiz“ gleichzusetzen.
Die Auseinandersetzung mit Gruppen wie der IGMG ist nicht repressiv, sondern politisch zu führen. Interessant wäre zu hören, welche ausweisungsrelevanten Vorwürfe Stoiber dem einzelnen IGMG-Mitglied nachweisen will. Abschiebungen sollten wie bisher juristisch genau zu prüfende Einzelfallentscheidungen bleiben. So ist es natürlich legitim, eine Ausweisung des „Kalifen von Köln“, Metin Kaplan, zu betreiben. Denn hier handelt es sich nicht um eine haltlose Verdächtigung von 31.000 Muslimen, sondern um jemanden, der gerichtlich nachweisbar zum Mord aufgerufen hat.
Stoibers Forderung wird auch scheitern, weil viele organisierte Islamisten längst deutsche Staatsbürger sind. Sollte der CSU-Chef allerdings ernsthaft und nicht nur nach drei Weizenbier über seinen Vorstoß nachgedacht haben, dann drängen sich folgende Fragen auf: Will der Mann eine Staatsbürgerschaft auf Widerruf? Oder die Unschuldsvermutung außer Kraft setzen? Statt des Nachweises individueller Schuld die Gruppenverfolgung einführen? Eines hat Stoiber schon jetzt erreicht. Islamistische Funktionäre, die die Rolle der verfolgten Unschuld lieben, haben nun ein paar Argumente mehr auf ihrer Seite.
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