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Tassen, Briefe und die CDUDer Souverän, wer war das noch mal?

Nicht nur die Kehrtwende bei der Schuldenbremse, auch der Umgang der CDU mit Tassen und Briefen zeigt, was sie politischer Partizipation hält: nichts.

Engagiert für die Demokratie: Omas gegen Rechts im Februar in München Foto: Michael Bihlmayer/imago

P olitische Partizipation ist ein hohes demokratisches Gut. Es beschränkt sich nicht nur aufs Wählengehen. Und dennoch wird das bei der CDU gerade so gesehen: Einmal gewählt, gilt nicht mehr, was davor galt.

Nicht nur die Sache mit der Schuldenbremse, vorher blockiert, jetzt durchgepeitscht, zeigt das. Auch, dass unzählige Päckchen mit Tassen und Briefen in Schuttcontainern hinterm Konrad-Adenauer-Haus liegen, macht deutlich, was die CDU vom Souverän hält, sobald der sein Kreuz gemacht hat. Nämlich nichts.

Zur Erinnerung: Tassen wurden Friedrich Merz geschickt, weil der sagte, er wolle nicht mit grünen und linken Spinnern reden, sondern mit Leuten, die noch alle Tassen im Schrank haben. Daraufhin wurden ihm Hunderte Tassen geschickt, und denen sind Briefe beigelegt von Menschen, die genau das, was er sich wünscht, auch wollen: mit ihm in einen Meinungsaustausch treten. Daran hat Merz kein Interesse. Deshalb liegen die Päckchen in den Containern.

Tausend Tassen, das ist jetzt die neueste Wendung, sollen nach Gambia in Afrika geschickt werden. Denkt man den Merz’schen Ausfall weiter, heißt das: In Afrika fehlen Tassen im Schrank. Man muss dazusagen: Peter Brunner von seiner NGO Heart4Gambia hat um die Tassen gebeten, er meint es sicher gut.

Werden die Briefe gelesen?

Ungeachtet dessen ist für die, die Merz eine Tasse samt Brief geschickt haben, die alles entscheidende Frage: Werden die den Päckchen beigefügten Briefe gelesen? Um diese nämlich müsste es gehen. Die Pressestelle der CDU antwortet auf diese Frage seit Tagen beharrlich nicht.

Die Briefe sind Meinungsbekundungen des Souveräns an den politischen Vertreter. Einige liegen der taz in Kopie vor. Etwa der einer Bibliothekarin. „Wir sind stolz, dass unsere Enkel gelernt haben, wie Demokratie funktioniert, und deren Möglichkeiten nutzen. Dafür müssen wir uns nicht von Ihnen beschimpfen lassen“, schreibt sie.

Liane P. aus Leipzig, die in ihrem Brief an Merz ihre Empörung über dessen Attacken auf die Omas gegen rechts deutlich macht, sagt am Telefon: „Wir setzen uns für die Demokratie im Rahmen des Grundgesetzes ein. Jetzt empfinden wir uns als unliebsame Akteurinnen. Ich empfinde keine Wertschätzung, sollte keine Antwort kommen.“

Wir setzen uns für die Demokratie im Rahmen des Grundgesetzes ein. Ich empfinde keine Wertschätzung, sollte keine Antwort kommen Liane P., Oma gegen rechts

Bürger und Bürgerinnen haben ein paar Möglichkeiten, um ihren politischen Willen zu bekunden. Wahlen sind die gängigste. Ansonsten kann man demonstrieren, das Gespräch mit Po­li­ti­ke­r*in­nen suchen, an Sit-ins teilnehmen, Briefe schreiben.

Ungeheuerlichkeit von Philipp Amthor

Abgeordnete sind angehalten, Briefe zur Kenntnis zu nehmen und zu beantworten. Sie müssen es nicht mal persönlich tun, aber sie sollten der Kommunikation mit dem Souverän nicht aus dem Weg gehen. So zeigen sie, dass sie mit den Bür­ge­r*in­nen auf Augenhöhe sind.

Aber die CDU macht das bislang nicht.

Stattdessen setzt Philipp Amthor, dieser Typ, den ernst zu nehmen schwer fällt, und das ist gerade das Gefährliche an ihm, noch eins drauf. Er öffnet ein paar der Päckchen und macht sich über die beigelegten Briefe lustig, nur um am Ende das Ganze als Werbung für sich zu nutzen.

Das ist eine weitere Ungeheuerlichkeit, die die Missachtung zeigt. Der Souverän ist für Amthor eine Witzfigur. Er tritt, was eine Demokratie ausmacht, mit Füßen.

„Es ist faszinierend, wie konsequent ihr es schafft, jeglichen Anstand zu vermeiden. Fast, als wäre es eine bewusste Entscheidung“, schreibt eine Luisa Hauser in den Kommentaren.

„Nichts begriffen“, schreibt ein ptoons.

Genau so ist es.

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Waltraud Schwab
taz-Redakteurin
Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art
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6 Kommentare

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  • Da ist der Volker unser Verkerhrsminister mental schon weiter fortgeschritten. Respekt - der hat es endlich kapiert und ist auch konsequent aus der FDP raus. Respekt. Ein echter Demokrat und kein Politklaun, wie so manche andere.

  • Vielleicht doch noch Fischköpfe an Hrn. Merz schicken? Jede Woche einen, bis der Herr die Kommunikation mit seinem Souverain aufnimmt. Der Typ zeigt eine Respektlosigkeit die nicht zu übertreffen ist, dafür wird er noch mit Steuergeldern bezahlt, im Gegensatz zu den von ihm verächtlich gemachten NGO`s, die auf Spendenbasis aktiv für die Demokratie einstehen. Ohne die Oma`s u.a. dürfte der Merz weiterhin malochen für die Investmentschwurbler Blackrock.

  • Herr Amthors Identität ist enger mit der CDU verknüpft als das bei den meisten anderen CDU-Politikern der Fall ist. Ich fand den Typ schon immer geradezu unheimlich, weil er die immergleichen-erwartbaren CDU-Floskeln raushaut.



    Dass die Tassen anscheinend zunächst vollkommen ignoriert bzw. der Entsorgung zugeführt wurden, spricht Bände.



    Allerdings finde ich, Amthors Clip ist nett gemacht u. alles andere als spöttisch o. verächtlich. Was ist von ihm zu erwarten? Dass er sich die kritischsten Briefe herauspickt u. vor laufender Kamera sagt: "Oh ja, ich entschuldige mich im Namen von F. Merz. Er ist mal wieder zu weit gegangen. Ab sofort nehmen wir als CDU Kritik ernst und richten unser gewohnt situativ-re-agierendes Handeln an unseren Kritikern aus, versprochen."

  • Bitte setzt eine Triggerwarnung oder ein Kotz-Emoji vor den Link zu Amthor's Instagram. Ist das ekelhaft *brrr*

  • Konservative sind keine Demokraten. Die Demokratie wird nur solange unterstützt, wie es den eigenen Zielen nutzt.



    Das kann man sich wirklich in jedem Land dieser Welt ansehen, nicht nur in den USA.



    Wenn bei demokratischen Prozessen etwas herauskommt, was den Konservativen nicht schmeckt, werden diese mit allen Mitteln bekämpft.

    • @TeeTS:

      Krass kranke Sicht. Ziemlich antidemokratisch, Konservativen abzusprechen, Demokraten zu sein. Um nicht zu sagen völlig verquer. Ich halte eher linken Dogmatismus und linke notorische moralische Selbstüberhöhung für bedenklich.