standbild: Kettenhunde
Harald Schmidt Show
(Di, 23.15 Uhr, Sat.1)
„Was unterscheidet Ussama Bin Laden von Rudolf Scharping? Bin Laden muss sich nur für vier Flüge verantworten!“ Diese Zote riss unlängst Matthias Beltz, als Harald Schmidt noch katastrophenbedingt pausieren musste. Der meldete sich nun endlich aus dem „Heimaturlaub“ zurück und erklärte Sat.1 zur „optimistischen, ungetrübten Heimat der Spaßgesellschaft“.
Was, wenn man Harald Schmidt früher von der Kette gelassen hätte? Wenn er vor einer Woche schon die ersten Witze über die Sinnlichkeit des Hauptverdächtigen gerissen hätte? Schließlich hat er in Interviews bereits seinen Kummer ausgebreitet, deutsche Soldaten nicht mit ähnlicher Hingabe wie seine US-amerikanischen Vorbilder unterstützen zu dürfen. Stattdessen umkreiste Schmidt das Thema aus größtmöglicher Distanz: „Ich habe täglich zehn Stunden ferngesehen, um herauszufinden, was eigentlich los ist.“ An der Peripherie des Problems, wie aufgeklärter Zynismus auf die aktuelle Lage reagieren kann, wurde Schmidt natürlich fündig: Mazedonien („Wo liegt das eigentlich“), BSE („Geheilt!“), und natürlich die jüngsten Wahlen: „Hamburger, braucht ihr das wirklich? Könnt ihr das nicht von Mecklenburg-Vorpommern mit erledigen lassen?“ Während sich in den USA die Lettermänner zu staatstragenden Mutmachern aufschwingen, gibt Schmidt lieber den ratlosen Normalbürger, der sich vom trockenen Korrektiv an der Seitenlinie informieren lässt. Wenn sensible Punkte berührt wurden, so geschah dies geschickt über Bande. Die verdruckste mediale Verlogenheit wurde mit Sentenzen wie „Das mag jetzt zynisch klingen, aber was macht eigentlich der Dax?“ vorgeführt, den angeblichen Angriff auf die Werte der westlichen Zivilisation verpackte er in die Anmoderation der Werbung: „Das mag jetzt zynisch klingen: Aber ich darf Sie an die Worte unseres Bundeskanzlers auf der IAA in Frankfurt erinnern: Gerade jetzt ist es wichtig, dass Sie Ihr Konsumverhalten nicht ändern.“ Kreide fressen geht anders, Zynismus auch. Seine Gesinnung jedenfalls hatte Harald Schmidt an diesem Abend um den Hals hängen: in Form einer Kravatte, dezent gestreift in den Farben der amerikanischen Fahne. ARNO FRANK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen