piwik no script img

sprachenlexikaKulturelles Gedächtnis

Unerschöpflich

Auf der Welt gibt es rund 6.400 verschiedene Sprachen. Wieviele schon ausgestorben sind, wissen wir naturgemäß nicht. Doch was ist schon eine tote, was eine lebende Spache? Es gibt Sprachen, die wir nie gekannt haben, andere, die im kulturellen Gedächtnis, etwa über ihre Schrift, erhalten sind – und solche wie das Lateinische, deren linguistischer Code moderne Sprachen geprägt hat. Es gibt Sakralsprachen wie Kirchenslawisch und untergegangene Sprachen mit alter Schriftkultur, die nur noch von einer Restbevölkerung gesprochen werden wie das Aramäische.

Und es gibt den Sonderfall Hebräisch, die einzige antike Bildungssprache, die für die Alltagskommunikation in der Moderne wiederbelebt wurde und heute von über viereinhalb Millionen Menschen gesprochen wird (Ivrit). Daher findet das Hebräische auch gleich in zwei Büchern des Sprachwissenschaftlers Harald Haarmann einen Eintrag: im neu erschienenen „Lexikon der untergegangenen Sprachen“ und in dem im vergangenen Herbst herausgegebenen „Kleinen Lexikon der Sprachen“.

Oft ist in ihnen auch vom Sprachensterben die Rede. Es gibt Lobbygruppen, die sich im Rahmen der EU dieses Themas annehmen, und regelmäßige internationale wissenschaftliche Konferenzen. Das derzeit größte Sprachengrab ist Australien, wo allein in den letzten Jahren 35 Aborigines-Sprachen ausgestorben sind und 20 weitere von nur noch einem Menschen gesprochen werden.

Das Beispiel Australien könnte leicht dazu verleiten, ein gängiges Vorurteil zu bedienen, nämlich dass die Verbreitung des Englischen schuld am Aussterben von kleinen Sprachen sei. Dies ist laut Haarmann nicht der Fall. Seiner Ansicht nach werden isolierte Sprachen wie etwa in den Bergtälern Papua-Neuguineas von der nächstgrößeren Lokal- oder Regionalsprache verdrängt. Die Verbreitung des Englischen sei „eigentlich ein Prozess der Globalisierung bestimmter spezialisierter Sprachfunktionen, während andere Sprachfunktionen […] davon kaum oder gar nicht berührt werden“.

Die beiden Lexika von Haarmann sind eine schier unerschöpfliche Fundgrube – zumal selbst Sprachen, die er nicht mit einem eigenen Artikel gewürdigt hat, zumindest im Anhang aufgeführt sind. Liebhaber von Feinheiten werden in den Büchern eine Fülle sprachgeschichtlicher und kulturhistorischer Details finden. BEATE SEEL

Harald Haarmann: „Lexikon der untergegangenen Sprachen“, 180 Seiten, 12,90 €; ders.: „Kleines Lexikon der Sprachen. Von Albanisch bis Zulu“, 456 Seiten, 18,50 €; beide Bücher: Beck’sche Reihe, München 2002

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen