schröder und diepgen: Bundesratsvotum als Pop-Event
Vielleicht hätte es noch ein bisschen spannender sein können, aber prickelnd war es allemal. 10:6 hat Schröders Road-Show am Ende gegenüber dem Merkel-Team die Nase vorn gehabt und damit eine drohende Verlängerung abgewehrt.
Kommentar von UWE RADA
Wann hat es das schon mal gegeben? Eine Abstimmung im Bundesrat, jener Gründungsinstiution des parlamentarischen Föderalismus, die selbst begabte Pennäler immer wieder mit dem Bundestag verwechseln, avancierte dank Spielplan und internationalerKonkurrenz („Steuerreform heißt Standortsicherung“) zum Pop-Ereignis des Monats. Selten wohl wusste das Publikum besser über den Abstimmungsmodus einer Steuerreform Bescheid als über deren Inhalt.
Und wenn schon: Was ist schließlich die Mittelstandsförderung und eine Absenkung des Spitzensteuersatzes gegen die die Einwechslung von Spielern, die eigentlich dem gegnerischen Team angehören? Diepgen und Schröder stehen zusammen vor dem Tor von Merkel und hauen das Ding rein – einfach wunderbar.
Mögen sich die medialen Bedenkenträger noch so sehr um den Verfall der politischen Kultur (und mehr noch den ihrer eigenen Deutungsmacht über die Zahlenkolonnen von Gesetzesentwürfen) scheren. Mit der gestrigen Abstimmung im Bundesrat hat sich die Politik wieder zurückgemeldet. Keiner, der nicht händeringend vor dem Fernseher gesessen hätte, keiner, der sich nicht im Vorfeld auf einen Favoriten festgelegt hätte, nur um kurz vor Abpfiff doch noch auf ein anderes Pferd zu setzen.
Natürlich ist das Geschrei des Verlierers jetzt groß, aber das gehört zum Spiel. Schließlich braucht das Publikum nicht nur Gewinner-, sondern auch Verlierertypen. Und wäre am Ende das Merkel-Merz-Gespann ganz vorne gewesen, hätte man dem Kanzler ganz schadenfroh vorgerechnet, dass man Mehrheiten eben nicht kaufen kann wie ein Bundesligaverein seine Stürmerstars.
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