schnittplatz: Sehgemeinden
Viele Menschen behaupten, Fernsehen mache passiv. Das ist falsch. Zumindest ist es mit der Passivität in dem Moment vorbei, in dem die Lieblingsserie abgesetzt wird. Dann nämlich werden eben noch harmlose Couch-Potatoes zu vollwertigen Energiebällchen.
Wir erinnern uns: Als der Sender Vox nach einer quotenmäßig enttäuschenden ersten Ally-McBeal-Staffel die Sendung einstellte, wurde man mit einer Flut an Protestnoten aufgebrachter Fans von Unisex-Toiletten und „Pokipsi“ murmelnden Wunderlingen konfrontiert. Ob man beim Sender tatsächlich ein Einsehen mit den Nöten der Fans hatte, oder einfach voraussah, dass eine so überzeugte Gemeinde auf die Dauer nur wachsen kann, sei dahingestellt – es half, und wenn Frau Flockhart nicht verhungert, wird uns Ally noch eine Weile erhalten bleiben.
Auch das Zweite sieht sich nach der Ankündigung, die wunderbaren „Sopranos“ nicht weiterlaufen lassen zu wollen, einem Haufen elektronischer Schmähpost gegenüber. Und weil auch TV-Jünger wissen, dass Pöbeln alleine nicht hilft, tauschen sie sich im „Soprano-Forum“ des ZDF jetzt darüber aus, wie man denn an US-Bänder der Serie kommen könnte.
Diejenigen, die die Selbsthilfe wahrlich professionell praktizieren, sind die Freunde der Serie „Ausgerechnet Alaska“.
Auf der Website der Initiative „Doktor Fleischmann soll wieder Erythrozyten zählen“ (www.sign4sale.de/cicely.html) finden sich, ganz praktisch, fertige Vorlagen für Briefe, Faxe und E-Mails an nahezu alle deutschsprachigen Sender. Dies sei kein Verein, kann man da lesen, man kenne keine Autogrammadressen und vertreibe auch keine Alaska-Kaffeetassen. Hier hat man vor niedlichem Elchdesign, „nur eine einzige Mission: Eine der deutschen TV-Stationen zu überreden, ,Ausgerechnet Alaska‘ wieder ins Programm zu nehmen.“
Immerhin hat die Initiative erkannt, „dass es wohl nicht mit dem Gesetz vereinbar wäre, einen Sender zu besetzen und zum Kauf der Lizenzen zu zwingen“. Schade eigentlich.
ANNE ZUBER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen