rürup-kommission: Kein Bündnis für Erneuerung
Es überrascht: Kommissionen haben einen guten Ruf in Deutschland. Bei jedem neuen Expertengremium wird erst mal angenommen, dass es bestimmt neue Erkenntnisse produziert. Diese freudige Grundstimmung macht sich selbst dann breit, wenn bereits zahllose Kommissionen zum gleichen Thema getagt haben und ohne praktische Konsequenzen blieben. Das ist deutsche Expertengläubigkeit.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Neuestes Beispiel für dieses interessante Phänomen ist die so genannte Rürup-Kommission, die sich mit der Reform von Renten- und Krankenkassen befassen soll. Gestern wurde sie von Bundessozialministerin Ulla Schmidt vorgestellt.
Vor lauter Begeisterung für dieses neue Gremium wird vollkommen übersehen, dass fast zum gleichen Thema die Enquetekommission „Demographischer Wandel“ erst im April ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Zehn Jahre lang haben Parlamentarier und Experten getagt – und natürlich auch diverse Vorschläge zu Renten- und Krankenkassen unterbreitet. So forderte man bereits damals mehr Prävention oder hinterfragte die Beitragsbemessungsgrenzen. Bert Rürup war übrigens Mitglied.
Die Experten wechseln, das Problem bleibt. In Neudeutsch: Es gibt „Umsetzungsschwierigkeiten“, keinen Mangel an Konzepten. Beim Kommissionsthema Gesundheit kann man da ganz besonders sicher sein. Ärzte, Krankenhäuser, Pharmaindustrie, Patienten, Krankenkassen, kassenärztliche Vereinigungen … Die Interessen sind so komplex verästelt, dass ein Bündnis für Erneuerung nicht in Sicht ist. Stattdessen sind bestens organisierte Lobbytruppen unterwegs.
Nur: Es fehlen die klaren Fronten, die Entscheidungen zwar kontrovers, aber wenigstens übersichtlich machen würden. Da hatte es die Hartz-Kommission besser, die eine Reform des Arbeitsmarktes organisieren sollte. Denn sie war eigentlich nichts anderes als ein Bündnis für Arbeit unter neuem Namen. In ihr trafen sich die beiden Tarifparteien, die seit mehr als hundert Jahren wissen, wie man miteinander verhandelt.
Insofern ist es nur konsequent, dass die Ministerin darauf besteht: „Hartz ist Hartz und Schmidt ist Schmidt.“ Und wie gewohnt strahlte sie dabei. Doch für Freude wird es wenig Anlass geben. Ob Hartz Erfolg hat, weiß man nicht. Aber eines ist sicher: Schmidts Rürup-Kommission wird es noch viel schwerer haben.
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