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"Komm" bleibt dicht / Inhaftierte dürfen raus

■ Nach den Krawallen schließt die Stadt Nürnberg das umstrittene Jugendzentrum bis 10. Januar. "infobüro": Schlag gegen linke Politik

Nürnberg (taz) – „Wir lassen nicht zu, daß Autonome sich hier austoben“, tönte Nürnbergs CSU- Oberbürgermeister Ludwig Scholz einen Tag nach den Krawallen um das Nürnberger Jugendzentrum „Komm“. Nach Anweisung der Stadt Nürnberg bleibt das Zentrum bis zum 10. Januar geschlossen und wird danach unter alleiniger Regie der Stadt fortgeführt. Alle in der Nacht zum Sonntag Festgenommenen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Wie berichtet war es am Samstag kurz vor Mitternacht nach einem Brandanschlag auf ein Verwaltungsgebäude gegenüber dem Jugendzentrum zu einer Straßenschlacht gekommen. Im Komm selbst fand zu dieser Zeit das Konzert „Rock gegen rechts“ statt. Es war die letzte Veranstaltung unter der Regie des selbstverwalteten Komm-Vereins. Am 31. Dezember wäre der Mietvertrag zwischen der Stadt und dem Verein regulär beendet gewesen. Bei der Straßenschlacht waren starke Polizeieinheiten von Komm-Besuchern mit Flaschen und Steinen beworfen und mit Feuerwerkskörpern beschossen worden. Verletzt wurde niemand. 37 Personen wurden vorläufig festgenommen, von 169 wurden die Personalien festgestellt.

Die Polizei geht davon aus, der Brandanschlag stehe in „unmittelbarem Zusammenhang“ mit den Konzertbesuchern. Dem widerspricht der Nürnberger Rechtsanwalt Ingo Schmitt-Reinholtz, der den Konzertveranstalter, das autonome „infobüro“, vertritt. „Keiner der Festgenommenen wurde dem Haftrichter vorgeführt, also können die Verdachtsmomente wegen besonders schwerer Brandstiftung nicht so groß sein“, betont er. Das „infobüro“ selbst beschuldigt die Polizei, „Vorgänge außerhalb des Komm zum Anlaß genommen“ zu haben, um „willkürlich Festnahmen vorzunehmen“. Das Büro wertet den Vorfall als „weiteren Schritt der schon lange betriebenen Stimmungsmache gegen selbstverwaltete Strukturen und linke Politik in Nürnberg“.

Für das „infobüro“ hat das von der Stadt verhängte Verbot des dritten Konzertteiles am Sonntag abend erhebliche Folgen. Statt, wie ursprünglich geplant, den Reingewinn „den politischen Gefangenen international“ zukommen zu lassen, entstanden durch die entgangenen Eintrittsgelder erhebliche Verluste.

Starke Polizeieinheiten hatten am Sonntag abend alle Zugänge zum Komm abgeriegelt, um das Veranstaltungsverbot durchzusetzen. Das für heute abend vorgesehene Ska-Konzert sowie eine schon seit Jahren im Komm stattfindende spanische Silvesterfeier dürfen auf Weisung der Stadt nicht mehr im Komm stattfinden. Die Veranstalter sind auf der Suche nach Ersatzräumen. Bernd Siegler

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