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protokollIm taz-Test: Die Polizei-Hotline nach den Terroranschlägen in den USA für „besorgte ausländische Mitbürger“

„Rufen Sie mich wieder an, wenn es Krieg gibt“

Guten Tag, bin ich da bei der Polizei?

Natürlich!

Ich bin Muslimin und habe das Gefühl, die Leute schauen mich seit zehn Tagen komisch an. Ich ...

Sind Sie denn als Muslimin zu erkennen?

Ich trage ein Kopftuch und habe eine etwas dunklere Hautfarbe. Ich habe Angst rauszugehen ...

Brauchen Sie nicht. Ich meine, ich kann Ihnen nur sagen, was ich weiß: Bislang gibt es keine Nachricht, dass Sie sich irgendwie beunruhigt fühlen sollen.

Trotzdem habe ich Angst. Man schaut mich seltsam an.

Kann sein, das kann ich nicht verhindern. Weil ja die allgemeine Hysterie im Moment nicht von mir gemacht worden ist, aber vorhanden ist. Vielleicht gucken die Leute komisch, weiß ich nicht. Ich habe ja keine dunkle Hautfarbe, deswegen sehe ich es nicht. Sie bemerken es. Ich kann Ihnen aber mit Sicherheit sagen, dass es im Moment keine Anzeichen gibt, dass Ihnen jemand etwas Böses antun will.

Man spricht von Rechtsextremisten, die nach den Attentaten aktiv werden könnten ...

Da kann ich Sie beruhigen, das ich nicht der Fall.

Aber wenn Krieg ist?

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass dann so genannte Rechte was machen würden. Es kann sich natürlich ändern. Wenn es Krieg gibt, rufen Sie mich wieder an. Dann kann ich Ihnen sagen, ob Rechte aus ihren Löchern kommen oder nicht. Bislang ist es nicht der Fall.

Aber jedes Mal sagt die Polizei, es passiert nichts. Und Ausländer werden doch angegriffen ...

Na ja, aber in Berlin wissen wir eigentlich immer gut Bescheid.

Kann man in Berlin überallhin gehen, ohne dass was passiert?

Kann man. Da gibt es wirklich keine Anzeichen. Natürlich, wenn Sie als Muslimin in ein Lokal gehen, wo möglicherweise Israelis sitzen, da kann ich für nichts garantieren. Weiß ich, was da für Leute sitzen? Oder wenn Sie in ein Lokal gehen, wo Nazis sitzen – irgendwo sitzen die Idioten –, und sich als Ausländerin oder Muslimin zu erkennen sind, kann ich nicht verhindern, dass Ihnen da eine Flasche Bier auf den Kopf fällt. Aber davon spreche ich nicht.

Aber genau davon spreche ich.

Ich weiß nicht, gehen Sie in Kneipen? In irgendwelche Kneipen in Marzahn?

Hm, nein.

Na also, dann passiert ja auch nichts. Und Sie werden ja auch nicht in irgendwelche Kneipen gehen, wo draußen steht „Hier Bier und Rechte!“ Na gut, in der Stadt gibt es Lokale mit ein paar Skins, wie überall, aber das sind keine Rechten. Da passiert nichts. Wo wohnen Sie?

Prenzlauer Berg.

Da passiert Ihnen mit Sicherheit nichts, da gibt es keine Rechten, das ist ein relativ gut gemischter multikultureller Bezirk, und da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.

Wirklich?

Es gibt in Berlin keine Anzeichen dafür, dass was passiert.

Hätten Sie eine Telefonnummer oder kennen Sie einen Ort, wo sich Leute treffen, die sich mit dieser Angst befassen?

Da müssten Sie sich bislang in einem Einzelzimmer einsperren. Sie sind die Einzige.

Die Einzige?

Ja, jedenfalls, die sich hier bei mir gemeldet hat. Und trotz meiner lieben, gutmütigen und vertrauensvollen Art sich nicht beruhigen lässt. Wir wollen versuchen Ihnen zu helfen und Ihnen sagen, Sie brauchen keine Angst zu haben.

Falls was passiert, wen kann ich anrufen?

110. Sofort die Polizei 110. Und die kommt dann schnell.

Wie lange ist Hotline erhalten?

Das weiß ich nicht. Ich weiß ja nicht, wie lange diese Eskalation dauern wird. Die reden schon von Krieg, ich weiß nicht, was passiert. Wenn ich so wüsste, wie sich so alles weiterentwickelt, dann würde ich nicht mehr arbeiten, dann würde ich morgen die Lottozahlen abgeben, und die wären richtig.

ANRUF: VIRGINIE HERZ

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