Union-Boss Zingler und der Frauenfußball: Eisern geschichtsvergessen
Union-Boss Dirk Zingler maßregelt deutsche Klubs wegen fehlender Unterstützung ihrer Fußballerinnen. Eine schnelle Wende.

D irk Zingler hat sich wieder markig geäußert. Der große Zampano von Union Berlin, der sich gern in Hoeneß’scher Manier als Stimme des einfachen Mannes zu deutschen Zuständen auslässt, dozierte diesmal in klubeigener Sache. Nämlich zur mangelnden Unterstützung für den Frauenfußball. „Jeder Profifußballverein […] ist in der Lage, seine weibliche Mannschaft angemessen zu bezahlen“, so Zingler.
Dass es kaum Vollprofiteams gebe, sei „ein jämmerliches Armutszeugnis für Deutschland“. Man müsse Frauenfußball angemessen präsentieren und „nicht als Behindertensportart behandeln“. Als Vorreiter sieht er da den eigenen Klub: „Wir werden sie ein bisschen vor uns herjagen. Aber nicht aus ideologischen Gründen. Es ist einfach richtig.“
Zingler hat zunächst mit seiner Analyse weitgehend recht. Und es ist wichtig, dass ein Verantwortlicher so klar kritisiert. Zwar steigen die Investitionen, aber für die meisten Klubs und Sportmedien fallen die Frauenabteilungen ideologisch unter Charity. Zinglers Forderungen entsprechen dem langjährigen Konsens unter Expert:innen – zumindest, wenn man das neoliberale Wachstumsmodell mit Drill, Auslese, Vollprofitum und Superreichtum anstrebt. Dieser Irrweg gilt in der Branche längst als alternativlos.
Folgt man der Systemlogik, hat Union zuletzt tatsächlich irre viele Dinge richtig gemacht. Der Klub hat gezielt und langfristig investiert. Er hat seine Frauenabteilung zur Saison 2023/24 voll professionalisiert und damit die Basis für einen beeindruckenden Durchmarsch von der dritten in die erste Liga gelegt. Er hat mit Geschäftsführerin Jennifer Zietz und Trainerin Ailien Poese zwei wirklich renommierte Berliner Expertinnen (wieder)gewonnen. Und er bietet seinen Frauen konsequent die große Bühne in der Alten Försterei. Belohnt wurde dieser Mut mit Rekordkulissen, zuletzt mit 20.000 Fans zum Aufstieg.
Diese Unioner Konsequenz ist bemerkenswert und hat mehr Gemeinsamkeiten mit den Businessplänen aus England als mit deutscher Wurschtelei. Aber Zinglers Aufplusterei hat auch ein sehr unangenehmes Geschmäckle. Union Berlin, gerade frisch auf den Dreh gekommen, maßregelt andere. Ausgerechnet Union Berlin. Bis vor wenigen Jahren nämlich hat der Klub seine Frauen berüchtigt schlecht behandelt. Während selbst Provinzklubs wie Hohen Neuendorf ihre Frauen bezahlten, verweigerte Union jeden Cent. Auch gab es gegenüber der taz Schilderungen etwa von einer gemeinsamen Auswärtsfahrt mit einem Juniorenteam, wo nur die Jungen Essen erhielten. Wertschätzung à la Union. Immer wieder wurde damals klar, dass Protest der Frauen unerwünscht war. Und bedeuten könnte, dass Union seine Charity einstampft.
Mehr Demut angebracht
Mehr Demut und weniger Geschichtsvergessenheit wären angebracht. Völlig daneben auch der Verweis, Frauenfußball sei kein „Behindertensport“. Dass auch Behindertensport gleichwertig sein könnte, so weit ist Union offenbar noch nicht. Interessant ist zudem, wie Zingler mehrfach darauf verweist, das Projekt sei nicht „ideologisch“. Offensichtlich möchte sich der Klub mit dem BSW-Sound bloß nicht in die Nähe feministischer Strömungen begeben.
Das ist auch völlig okay; für das Wirtschaftsprojekt Frauenfußball ist es zentral, breitere Milieus zu erobern. Unions Engagement ist ein Signal, dass das zunehmend gelingt. Aber Zinglers Rede ist auch ein Verweis auf eine Zukunft, in der dieses Wirtschaftsprojekt vollends losgelöst ist von einem emanzipativen Charakter. Nicht „ideologisch“, sondern „attraktiv und wertvoll“. Mit diesem Framing lässt es sich problemlos ins autoritäre Zeitalter übertragen. Und dann wird Geld gemacht. Schließlich ist das hier kein Behindertensport.
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