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portraitDie Anwältin der Huren

Künftig verewigt: Sexarbeiterin Domenica Niehoff Foto: dpa

Sie war eine Hure. So und nicht anders wollte Domenica Niehoff bezeichnet werden. Das Wort Prostituierte war ihr „zu behördlich“. Also Hure, ein direkteres Wort, ein ehrlicheres. Eines, das Assoziationen weckt. Über Jahrzehnte kämpfte Niehoff dafür, diese Assoziationen mit Respekt zu füllen. In den Achtzigerjahren trat die gebürtige Kölnerin zu einem Kampf an, der noch lange nicht gewonnen ist. Doch dass in Hamburg nun eine Straße ihren Namen tragen soll, ist eindeutig ein Punkt für Deutschlands berühmteste Sexarbeiterin.

Die 2009 verstorbene Niehoff gehörte zu St. Pauli, wie St. Pauli zu Hamburg gehört. Ihr Gesicht ist untrennbar verbunden mit dem berühmten Kiez, mit Rotlicht- und Vergnügungsmeile. Doch ein großer Teil ihrer Bekanntheit gründet in ihrem Bemühen, diesen Ort zu verändern. Sie trat öffentlich für eine Legalisierung der Sexarbeit ein Vor allem aber kämpfte Niehoff für das Ende der gesellschaftlichen Ausgrenzung von SexarbeiterInnen.

Die 1945 geborene Niehoff wuchs in einem katholischen Waisenhaus auf. Mit 17 Jahren heiratete sie einen Bordellbesitzer, der sich zehn Jahre später in ihrem Beisein erschoss. Niehoff brauchte Geld und landete im Milieu. Später pachtete sie selbst ein Bordell in der Hamburger Herbertstraße.

„Als ich mich outete, war das Leben in Hamburg zuerst die Hölle“, sagte Niehoff 1998, als sie eine Kneipe am Fischmarkt in St. Pauli eröffnete. Sie stieg 1990 aus dem Beruf aus – blieb aber im Milieu. Niehoff war Mitinitiatorin von Ragazza, einem Verein, der mit drogenabhängigen Prostituierten im Hamburger Stadtteil St. Georg arbeitet. In Notlagen nahm sie immer wieder junge Frauen bei sich zu Hause auf.

„Viel Freud und viel Leid“ habe sie als Hure erlebt, sagte Niehoff 1992 in einer Talkshow. Als erwachsene Frau habe sie mit dem Beruf gut umgehen können: „Ich habe ja die Männer auf die Matte gelegt, nicht die mich.“ Trotzdem war sie keine, die das Milieu glorifizierte. Als Streetworkerin war sie täglich mit dem Leid und der Not junger Menschen konfrontiert. Niehoff wollte helfen. Dabei: auszusteigen. Und dabei: weiterzuarbeiten – ohne mit Verachtung gestraft zu werden. Dinah Riese

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