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petition der wocheEin Büdchen ohne Sofa ist möglich, aber sinnlos

Anlass der Petition Ein Kiosk darf ein Sofa nicht mehr auf einen Deich stellen

Das wollen die Initiatoren Dass „Birthes Büdchen“ offen bleibt

Das wollen sie wirklich Einen Ort der Begegnung in Wesel-Perrich bewahren

Wer von der Rheinquelle immer weiter flussabwärts radelt, vorbei am Rheinfall, an Weinbergen, chemischer Industrie und der Loreley, an Basel, Ludwigshafen, Mainz, Bonn, Duisburg, der möchte allerspätestens bei Flusskilometer 819 eine Pause einlegen. Ein kühles Bier trinken, vielleicht einen Snack snacken und den Blick über den Fluss schweifen lassen, wie er immer weiterfließt, Richtung Holland, Richtung Nordsee.

Glücklicherweise stehen dort, in Wesel-Perrich, mehrere Häuser oben am Rheindeich. In einem davon lebt Birthe Ledwig. Im Mai 2017 eröffnete die heute 44-Jährige im früheren Kinderzimmer eine Verkaufsstelle für Getränke und Lebensmittel, betrieben von ihrem Vater und ihr – nebenberuflich, sie arbeitet auch als Krankenschwester. Der Name des Ladens: Birthes Büdchen.

Schaut man sich Fotos auf der Facebookseite von Birthes Büdchen an, sieht man: ein hellbraunes Haus, mit Wein bewachsen. Ein Fenster zum Deich, darinnen: Bunte-Tüte-Kästen, darüber: die Cartoonzeichnung einer Radfahrerin, davor: ein knallroter Langnese-Schirm, Bierbankgarnituren, ein weiß angemaltes Fahrrad.

Und dann ist da noch das Sofa.

Das steht einige Meter vor dem Haus auf einem Rollbrett auf dem Deich und bietet ein wunderbares Rheinpanorama. Sogar die Bürgermeisterin von Wesel, die im Übrigen Susanne Westkamp heißt, soll hier schon gesessen haben.

Doch das Sofa macht Probleme: Der Deichverband Duisburg-Xanten hatte es seit der Büdchengründung lediglich geduldet – mehr nicht. Nun soll es Beschwerden gegeben haben, dass immer mehr Möbel auf dem Deich stünden. Dass „ungehindertes Spazierengehen nicht möglich sei“ und von „ständigem Alkoholkonsum auf dem Deich“ schreibt der Deichverband in einem Statement. Auch sollen Nachbarn gefragt haben, ob sie ebenfalls Stühle aufstellen dürften. Dem Deichverband drohte die Lage auf seiner Hochwasserschutzanlage zu entgleiten. Die Duldung wurde daher im November 2019 zurückgenommen.

Doch ohne Sofa kein Büdchen, sagte sich Birthe Ledwig und wollte ihren Laden schließen. Und als dies vergangene Woche öffentlich wurde, zeigte sich, wie viele Fans Birthes Büdchen hatte – kein Wunder, wurde es doch erst im Sommer 2019 von den Hörer:innen des lokalen Radio K.W. zum besten Biergarten im Kreis Wesel gewählt, deutlich vorm Mühlengarten in Xanten und der Rheinwacht in Voerde-Götterswickerhamm.

Eine Petition wurde gestartet, und nach einer Woche hatten bereits über tausend Menschen dafür unterschrieben, dass die Couch bleiben muss. Eine Welle der Solidarität, die auch Birthe Ledwig und ihre Familie glücklich machte – aber nichts mehr ändern wird. Am Dienstagabend gab sie auf Facebook das endgültige Aus bekannt: „Das Ziel des Büdchens war es immer, einen schönen Ort für unsere Gäste und uns zu kreieren. Nach langer und wohl überlegter Abwägung ist dies so nicht mehr möglich und daher bitten wir um Euer/Ihr Verständnis für unsere Entscheidung.“

Immerhin einmal darf das Büdchen noch feiern. Birthe Ledwigs Vater sagte der Rheinischen Post, dass sich bereits Menschen gemeldet hätten, die im Gindericher Karneval als „Birthes Büdchen“ laufen wollen. Und das Sofa auf Rollen, das ist bestimmt auch mit dabei! Michael Brake

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