personal der wahl: Peter Strucks dezentes Parteisoldatentum
Ein klein wenig schräg
Parteisoldaten – ein martialischer Begriff. Die militärischen Traditionen sind ja in unserer Gesellschaft zum Glück ziemlich verschüttet (die Fernsehreportagen aus dem Kosovo oder aus Afghanistan zeigen es: Landser sind das nicht mehr!), aber diesem Wort haftet noch etwas von Kadavergehorsam an. Zwar nicht mehr Zweiter Weltkrieg, Durchhalten bis zum Endsieg, aber zumindest noch Berti Vogts: Wadenbeißen ohne Rücksicht, den Gegner fixieren und bekämpfen, zum Wohle der eigenen Mannschaft beziehungsweise politischen Sache.
Wird man freiwillig Parteisoldat? Wohl kaum. Eher kann man es sich doch wohl so vorstellen, dass diejenigen aus der ersten Reihe, denen alles zufliegt, die mit einem Lächeln ganze Parteitage umdrehen können, einem diese Position zuweisen. Einen muss es schließlich geben, der die Drecksarbeit erledigt. Es lappt etwas ins Perverse aus, sobald man spürt, dass die Unterwerfung, um die es hier geht, mit Lust verbunden ist (hatte Stoibers Verhältnis zu Strauß damals nicht etwas Masochistisches?). Dass aber ein eigentümlicher Trost darin liegen kann, sich als Parteisoldat zu begreifen, das versteht man sofort, ohne es allerdings zu goutieren. Es war ein fast schon zu durchsichtiges Manöver, als Scharping nach dem Sturz durch Lafontaine seine seelischen Verletzungen öffentlich mit dem Hinweis verdrängte, es gehe schließlich um eine Sache, die größer sei als man selbst. Die Sehnsucht, dass die eigene Opferung zumindest Sinn machen könne, blitzte darin auf.
Ähnlich wie es der Berti Vogts war, der als Bundestrainer die Bedeutung der einzelnen Spieler zurückstellte und die „Mannschaft“ auf den Fußballthron hob, hat Scharping damit seine eigenen Interessen hinter den Teamgeist der Sozialdemokraten zurückgestellt: Ihr könnt mich abservieren, aber dann müssen wir wenigstens zusammen irgendwann mal gegen Helmut Kohl gewinnen (es dauerte dann noch lange genug). Nur war das bei Scharping ein erkennbarer Abstieg. Innerhalb eines Parteitags war er vom Star zum Parteisoldaten mutiert. Der Sinn seiner vielen Affären bestand vielleicht darin, ihn immer wieder daran zu erinnern: Mit Gräfinnen baden dürfen Stars – Parteisoldaten dürfen das nicht.
Nicht nur weil er viel bodenständigere Exzentrizitäten pflegt, ist Rudolf Scharpings Nachfolger als Bundesverteidigungsminister der viel zeitgemäßere Parteisoldat. Peter Struck raucht Pfeife und fährt schwere Motorräder, auch das ist ein klein wenig schräg. Besonders das Motorrad: Selber fahren wollen, welcher Spitzenpolitiker will das denn? Aber es sind eben kleine Ticks ohne dies aufsteigerhaft Höherambitionierte wie bei Scharping, irgendwie – Struck ist Rechtsanwalt – hat das etwas liebenswert Liebling-Kreuzberghaftes.
Und vor allem: Man sieht Peter Struck das Parteisoldatentum viel weniger an als Rudolf Scharping. Es ist nicht nur so, dass man sich Struck jederzeit sehr gut als Mitglied eines Komikerduos vorstellen könnte; etwa zusammen mit einem anderen Parteisoldaten, mit Franz Müntefering: die knurrigen Sozen (das selbstironische Potenzial dieser beiden ist zu wenig erforscht). Darüber hinaus hat man nicht das Gefühl, dass Peter Struck sich nun besonders verstellen muss: Das Amt des Bundesverteidigungsministers ist und bleibt zwar ein Scheißposten, aber schlecht gelaunt wirkte er eben auch vorher schon immer. Strucks Parteisoldatentum hat einen großen Vorteil: Es kommt ohne Herr-und-Knecht-Spiele aus. Nur so kann man es eigentlich als Wähler ertragen.
DIRK KNIPPHALS
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