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Arbeitskampf im KrankenhausSystemrelevanz zum Mindestlohn

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Die Beschäftigten der Charité-Tochter CFM sind im Streik. Richtig so, denn es soll an denen gespart werden, die die Stadt am Laufen halten.

Beschäftigte der CFM fordern einen besseren Tarifvertrag Foto: Verena Schmitt-Roschman/picture alliance/dpa

E in Haus, ein Tarifvertrag für alle Beschäftigten: Die Forderung der rund 3.500 Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Charité Facility Management (CFM) klingt simpel. Derzeit verdienen CFM-Beschäftigte teilweise deutlich weniger als ihre Kol­le­g:in­nen beim Mutterunternehmen, der Berliner Universitätsklinik Charité, und versuchen darum, durch Streik eine Lohnangleichung zu erstreiten. Doch der Senat duckt sich weg. Der Fall zeigt, wie schwer sich die Politik tut, systemrelevante Berufe angemessen zu bezahlen.

Die CFM ist ein Überbleibsel der Berliner Pleitejahre. Anfang der 2000er waren die Kassen knapp, die Stadt versuchte an allen Ecken und Enden zu sparen. Auch die Gründung der CFM 2005 atmete den Geist dieser Zeit: Löhne drücken, um den Haushalt zu sanieren.

Sämtliche Servicedienstleistungen, die für die Universitätsklinik erbracht wurden, sollten in einem Privat-öffentlichen-Konsortium gebündelt werden. Dazu gehörten Reinigung, Catering, Krankentransporte, Hausmeisterdienste, Kälte- und Medizintechnik und noch vieles mehr. Dafür kaufte das Konsortium die bisherigen Dienstleister auf. Die Beschäftigten mussten sich neu bewerben, zu teils deutlich schlechteren Stundenlöhnen. Auch wurden im Zuge der Neustrukturierung Berufsgruppen wie das Catering aus der Charité ausgegliedert. Dadurch galt für die Beschäftigten nicht mehr der vergleichsweise gut bezahlte Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD).

Heute gibt es zwar einen Haustarifvertrag für die CFM-Beschäftigten, der orientiert sich aber an den Branchenlöhnen und liegt an vielen Stellen deutlich unter dem TvÖD, der den Beschäftigten als Angestellte des Landes eigentlich zustünde.

Viele Versprechen

Bereits 2016 versprach Rot-Rot-Grün zuerst die Wiedereingliederung und erreichte zumindest, dass die CFM ein vollständig landeseigenes Unternehmen wurde; doch nach TvÖD bezahlt wurde trotzdem noch nicht. 2023 versprach dann CDU-Bürgermeister Kai Wegner zu Regierungsantritt eine „schnellstmögliche“ Rückführung. Doch von den Versprechen von gestern will der Senat nichts mehr wissen; eine Wiedereingliederung ist angesichts des milliardenschweren Haushaltslochs in Berlin nicht in Sicht.

Die CFM wiederum tut so, als wäre sie ein ganz normales Unternehmen, das auf einmal mit völlig utopischen Lohnforderungen konfrontiert ist: Eine Angleichung an TvöD würde den wirtschaftlichen Fortbestand des Unternehmens gefährden, heißt es aus der Unternehmensleitung.

Ein unbefristeter Erzwingungsstreik schien nach der erfolgreichen Urabstimmung Ende März unvermeidbar, doch dann machte das Arbeitsgericht der Gewerkschaft einen Strich durch die Rechnung: Durch den Streik dürfe die Versorgung der Patienten nicht gefährdet werden. Doch lagen die in der Notdienstverordnung von der Unternehmensleitung festgelegten Personalschlüssel teilweise so hoch, dass ein effektiver Streik unmöglich gewesen wäre. Erst nach intensiver Nachverhandlung konnte Verdi die Schlüssel drücken, um nun zumindest einen „Streik light“ zu ermöglichen.

Die Logik dahinter muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Arbeit der CFM-Beschäftigten ist zu wichtig, als dass sie streiken dürften. Trotzdem tut der Senat so, als sei eine existenzsichernde Bezahlung unmöglich. Oftmals in Teilzeit beschäftigt und nur knapp über Mindestlohn, kämpfen viele CFM-Beschäftigte damit, sich die explodierenden Mieten noch leisten zu können.

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Die Politik droht also denselben Fehler wie bei der Sparorgie vor 20 Jahren zu begehen: Es wird an denen gespart, die die Stadt am Laufen halten.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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