orte des wissens: Geplant, gebaut und abgerissen
Das Hamburgische Architekturarchiv bietet Material zu bestehender und gewesener Architektur. Ein Resümee dessen, was dem Spekulanten René Benko geopfert wurde, steht noch aus
Im Herbst 1984 gründete die Hamburgische Architektenkammer ihr Architekturarchiv. Es residiert in einem Speichergebäude am Brooktorkai. Die sechs Böden seien fü****r die Bestände bestens geeignet, sagt Archivleiterin Sabine Kock: „Hohe Traglasten, geringer Lichteintrag, ausgeglichene Temperatur und wenig Feuchtigkeit – mit den dicken Mauern der Speicherstadt ist das ideal, denn für unsere Archivalien wären die Temperaturschwankungen der größte Stress.“
Das Archiv sammelt Unterlagen Hamburger Architekten und Stadtplaner, also von Hochbau-, Landschafts-, Garten- und Innenarchitekten: „Wir verwahren Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert, mit dem Schwerpunkt Nachkriegsarchitektur, also die 1940er-, 1950er-Jahre bis Anfang 1980er-, 1990er-Jahre“, sagt Kock.
Derzeit gibt es rund 300 Bestände aus den Architekturbüros – ob Pläne, Skizzen und Zeichnungen, Briefwechsel oder Film- und Fotomaterial: „Es sind Vor- und Nachlässe. In der Regel handelt es sich um Schenkungen, denn wir haben ja keinen Ankaufsetat“, sagt Kock. „Was wir bieten können, ist Erhalt und Lagerung, aber auch das Zugänglichmachen zur Beforschung.“
Besonders umfangreich sind die Bestände der Wohnungsbau-Gesellschaften SAGA und Neue Heimat. Der Bestand von Gottfried Schramm beispielsweise, der auch selbst fotografierte, eröffnet Blicke auf eigene Arbeiten wie das Prien-Haus am Jungfernstieg und auf das gebaute Hamburg bis Anfang der 1980er-Jahre. Der Architekturfotograf Otto Rheinländer hinterließ einen riesigen Bestand von Glasnegativen mit Fotos von Gebäuden und von Baustellen, bietet also ein reiches Reservoir für Ausstellungen zur Ingenieurbaukunst.
Die Bibliothek umfasst neben Büchern auch Zeitschriften, in denen Hamburger Projekte und Architekten genannt sind. Diese Erwähnungen wurden verschlagwortet, sodass Anfragen gezielt beantwortet werden können. Überhaupt werde die Bibliothek rege genutzt, erläutert Archivleiterin Kock: „Eigentümer wollen etwas über die Geschichte ihrer Häuser wissen, das Denkmalschutzamt schreibt Gutachten und braucht Material. Es kommen Architekten, die für Umbauten recherchieren, ebenso die städtischen Verwaltungen, aber auch Wettbewerbs-Teilnehmende.“
Interesse zeigen Bauhistoriker und Studierende aus Hamburg, aber auch von außerhalb. Das Dresdner Stadtmuseum plant für 2025 eine Ausstellung zum Plattenbau. Das sei mitnichten nur ein Ost-Thema, wie Kock erläutert: „Bei uns hieß der Begriff ,serielles Bauen‘, daher sind für die Kuratoren unsere Bestände zur Neuen Heimat hochinteressant.“
Zur Baukultur-Forschung erscheint die „Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs“, darunter Axel Schildts „Geschichte der Grindelhochhäuser“ oder Ulrich Höhns „Das ungebaute Hamburg“. Noch fehlt ein Buch zum „Abriss in Hamburg“, denkt man an Peter Schwegers Gänsemarkt-Passage von 1979, die 2022/23 dem Spekulanten René Benko geopfert wurde. Gustav Burmesters erste Tchibo-Zentrale am Valentinskamp ist ebenso perdu wie Rudolf Klophaus’ City-Höfe von 1958. Im Architekturarchiv lagern die Nachlässe von Schweger, Burmester und Klophaus, sodass dessen Hochhauskomplex hier zu sehen ist – als Modell.
„Nur wenn wir lernen, die Stadt als Gemeingut zu betrachten und zu behandeln, können wir künstlerisch und sozial die Probleme zu lösen beginnen, die sie uns stellt“, schrieb Hamburgs großer Oberbaudirektor Fritz Schumacher. Es scheint, als hätte er Pate gestanden bei der Veranstaltungsreihe „Bauwende bereichern! Zukunft trifft Vergangenheit“ mit Debatten zu „Bestandserhalt und Umbau“ oder zu „Nachhaltiger Planung“. Frauke Hamann
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