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orte des wissensStoff gibt’s mehr als genug

Das Bramscher Tuchmacher-Museum bewahrt und erforscht Herstellungsverfahren von Textilien. Diese drohen oft in Vergessenheit zu geraten

Es gibt Orte, die wirken wie aus der Zeit gefallen. Das Tuchmacher-Museum im niedersächsischen Bramsche, 1997 gegründet, ist ein solcher Ort. Viel Fachwerk und Naturstein. Zu Füßen eines verwitterten Schornsteins Pusteblumen. Eine schmale Brücke über ein Stauwehr voller Seerosen, das früher sechs Wasserräder antrieb. Drumherum pittoreske Wohnhäuser, auch sie früher Teil der Tuchmacherwelt. Im Produktionsgebäude, unter gewaltigen Deckenbalken, eine Maschinenwelt voller Transmissionsriemen und Zahnräder, Ketten und Flaschenzüge. Dazu der Geruch von Öl und Farbe, das Krachen und Rumpeln von Holz und Metall, das in Bewegung ist. Es zischt, schabt, kreischt, quietscht. Der Boden vibriert.

Die Anfänge des verwinkelten Areals mit seinen Industrielampen und Stahltreppen liegen Jahrhunderte zurück. Tuch wurde hier hergestellt und wird es noch, allerdings nur zu Ansichtszwecken und für den Museumsshop.

Maschinenmechaniker Volker Leismann führt herum, wirft Elektromotoren an, die heute die Muskel-, Wasser- und Dampfkraft von einst ersetzen, setzt Maschinen in Gang, die weit über 100 Jahre alt sind, erklärt das Zwirnen und Weben, das Walken und Kämmen. Für Leismann war die Tuchmacherei am Anfang „ein böhmisches Dorf“, sagt er der taz. Heute ist er „wirklich begeistert“ davon, Besuchende auf einer Zeitreise zu begleiten.

Seine Begeisterung merkt man ihm an. Leismann bringt eine Signalglocke zum Klingen, stanzt eine Lochkarte für den Jacquard-Webstuhl, erklärt Maschinennamen wie „Wolf“ und „Reißkrempel“, erzählt von der Genossenschaft der Tuchmacher, von Kinderarbeit und Lungenleiden, von technischen Umbrüchen, Schnittmengen zwischen Frühzeit, Handwerk und Industrie.

Sicher, es gibt Video- und Hörstationen, moderne Ausstellungspädagogik. Wechselschauen finden hier statt, oft zu Textilkunst. Und im Foyer kann, wer will, eine Glücksmünze in einen Brunnen werfen. Aber das ist nur Beiwerk. Entscheidend ist das Feeling, dass hier die Zeit stillsteht. Riesige Weidenkörbe voller Spindeln. Glasbehälter mit Etiketten wie Alaun, Cochenille, Blauholz. Dunkle Ecken mit Tonnen, Lappen, Seilen.

Die vorherrschende Farbe hier ist Rot. Es repräsentiert das legendäre „Bramscher Rot“, von dem nicht überliefert ist, wie genau es entstand. Klar, es hat mit den Wurzeln der Krapp-Pflanze zu tun, die draußen im Beet vor dem Waschhaus wächst. „Aber letztlich ist das noch immer ein Geheimnis“, sagt Leismann mit Blick auf den großen Färbekessel aus Zinn. „Unsere eigenen Versuche lagen oft ein bisschen Richtung Orange.“

Mit eigenen Experimenten hat das Museum der Entstehung des legendären „Bramscher Rot“ nachgespürt

Mitte Juni ist im Museum wieder „Schafstag“. Da werden auf der Wiese hinter dem Museum über 200 Schafe geschoren, denn ohne Wolle kein Tuch. Rund eine Tonne Wolle ergibt das. Rein rechnerisch genug für den Jahresbedarf des Museums. Aber die Merinowolle, die auf den alten Maschinen verarbeitet wird, kommt aus Australien und Neuseeland. „Das hat mit der Feinheit und Faserlänge zu tun“, erklärt Museumsleiterin Kerstin Schumann. „Ist das Material zu grob, gäbe das auf unserem Maschinen Sauerkraut.“ Aber es wird experimentiert. Mit Bentheimer Landschafen, mit Texelschafen aus Norddeutschland. „Das wäre schon toll, wenn das funktioniert“, sagt Schumann. „Regionalität ist ja wichtig. Natürlich würde das Tuch dann weniger weich.“

Und wer sieht sie sich an, diese Geschichtslandschaft, vom Spinnrad bis zu den Turbinen des Wehrs, aus den 1920ern? Schulklassen, Familien. „Witzig ist“, sagt Schumann, „dass sich hier oft das alte Klischee zeigt: Männer interessieren sich für die Technik, Frauen für das Textile.“ Bleibt zu hoffen, dass der „Schafstag“ nicht wieder zu einer Bühne für Wolfsgegner wird. Harff-Peter Schönherr

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