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mitten im lebenHELMUT KOHL IST AUFERSTANDEN

Zivilcourage hat jetzt eine Kontonummer. Uschi Glas verdanken wir das Bekenntnis, was Menschen bewegt, die binnen Kürze 5,9 Millionen für einen guten Zweck zusammenbringen. Mutig kommen sie sich vor, wider den Zeitgeist stellen sie sich und zeigen der Republik, dass Zivilcourage heutzutage bedeutet, Helmut Kohl Geld zu überweisen. Wer genauso fühlt, wende sich an die Commerzbank Essen, Konto-Nr. 1216175.

Ach, was könnten wir höhnen! Könnten fragen, wie viel Leo Kirch für Mosambik gespendet hat. Könnten erörtern, ob Helmut Kohl überhaupt noch das Recht hat, seinen Kopf aus dem Sandloch zu strecken, in welchem er in den letzten Wochen verschwunden war. Könnten auch – wie sagte der Altkanzler immer? – „geistig moralisch“ kapitulieren und stattdessen die Nationalheilige der politischen Hygiene um Beistand anflehen: Marion Gräfin Dönhoff, sagen Sie uns, quo vadis, du deutsche Republik?

Dann würde uns freilich das Vergnügen entgehen, selbst Zeugnis abzulegen von der Wiederauferstehung des Helmut Kohl. Nicht nur leiblich war er auf seiner Pressekonferenz unversehrt. Er hat geliefert, was aus seiner Sicht zu liefern war: Entschuldigungen und Geldscheine. Jetzt ist es an uns zu verstehen. Helmut Kohl ist wieder da, wie man ihn kennt: Er weiß, was getan werden muss, er hat es getan, und Schluss, aus, Feierabend. Mit der neuen CDU der regionalen Selbsterfahrungsgruppen und Basisbefragungen kann der alte Herr nichts anfangen, da mag er noch so oft beteuern, er stehe mitten in der Partei.

Schön ist auch das Detail, dass er ausgerechnet mit den Erlösen seiner angekündigten Autobiografie den Schaden für seine Partei abgelten will. Wenn es noch irgendeinen Zweifel gab, ob man aus Kohls Leben die Spendenaffäre ausblenden kann, hat er selbst ihn ausgeräumt: Sein Lebenswerk dient jetzt dazu, seine Schulden abzuzahlen. PATRIK SCHWARZ

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