migranten & aids: Überlegt reden, schnell handeln
Es ist schwierig, über die steigende Anzahl von HIV-Infektionen und Aids-Erkrankungen bei Migranten zu reden. Leicht spielt man damit Ressentiments und rassistischen Parolen in die Hände. Wie denen von Wolfgang Barth-Völkel, einem Hamburger Abgeordneten der Schill-Partei. Der will alle Einwanderer Zwangsuntersuchungen unterziehen. Wer eine hochansteckende Krankheit hat, verkündete er am Wochende, soll interniert oder abgeschoben werden.
Kommentar von SABINE AM ORDE
Dennoch ist es an der Zeit, Migranten und Aids zum Thema zu machen. Denn in vielen Einwanderer-Communities fehlt es fast vollständig an Prävention. Ihre Selbstorganisationen scheuen die Auseinandersetzung mit der Sexualität, die großen Aids-Hilfseinrichtungen kommen bislang nicht an die Migranten ran. So halten sich Unkenntnis und Scham – mit allen schwerwiegenden Konsequenzen. Hier ist Einsatz gefragt, von beiden Seiten.
Zudem mangelt es für einen großen Teil der Betroffenen an einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Das gilt besonders für jene Einwanderer, die ohne Aufenthaltsstatus in Berlin leben. Sie haben schlicht kein Anrecht auf medizinische Hilfe und bekommen sie nur, wenn Ärzte sie kostenlos behandeln. Bei HIV und Aids, deren Therapie extrem teuer ist, stößt die Solidarität der Mediziner leicht an ihre Grenzen.
Abhilfe könnte ein Notfonds schaffen, aus dem unbürokratisch medizinische Hilfe finanziert werden kann. Einzahlen sollten, das haben Flüchtlingsinitiativen längst vorgeschlagen, Bund und Land, aber auch die Krankenkassen. Diese müssen sowieso zahlen, sobald die Kranken eine Duldung und damit Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Werden die Patienten schnell betreut, wird das für die Kassen tendenziell sogar billiger. Wichtiger aber ist: Jeder Schwerkranke in Berlin sollte das Recht auf schnelle medizinische Hilfe haben.
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