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luftangriffe auf irakDie Rückkehr der Zombies

Georg W. Bush scheint entschlossen, jede Befürchtung, die ein aufgeklärter Europäer gegen seine Präsidentschaft hegt, prompt zu bestätigen. Nachdem er als Erstes seine innenpolitische Verneigung vor den christlichen Fundamentalisten der „moral majority“ vollzogen hat, betätigt er sich jetzt als außenpolitischer Wiedergänger. Als hätte die Welt zehn Jahre stillgestanden, als gäbe es keinerlei Entwicklung im Nahen Osten und als wüsste man nicht längst, dass Saddam Hussein mit ein paar Bombern nicht zu treffen ist: Der Zombie im Weißen Haus macht da weiter, wo sein alter Herr aufgehört hat.

Kommentarvon JÜRGEN GOTTSCHLICH

Bush, Powell, Cheney und im Hintergrund vielleicht noch Herr Schwarzkopf, sind „back in town“ und wollen Saddam nun zeigen, wo der Hammer hängt. Das infantile Muskelspiel, dem ganz nebenbei wieder ein paar irakische Zivilisten zum Opfer fielen, ist rational kaum zu begründen. Die Luftangriffe auf Bagdad seien, so Bush, „Teil der normalen Strategie“ gegen Saddam Hussein. Allein von welcher Strategie redet der Mann?

Als vor zehn Jahren eine große Kriegskoalition unter Führung der USA Saddam aus Kuweit vertrieb, sah es so aus, als ginge es darum, den letzten Irren im Nahen Osten unschädlich zu machen. Mittlerweile hat sich das Bild dramatisch gewandelt. Zwischen Israel und den Palästinensern herrscht de facto Krieg. Die arabischen Regime stehen unter massivem Druck ihrer Bevölkerungen, sich mit der PLO zu solidarisieren. In dieser aufgeladenen Atmosphäre gießt Bush im wahrsten Sinne des Wortes Öl ins Feuer. Die Luftangriffe tun Saddam nicht weh, aber sie verstärken sein Image als Rächer der Entrechteten im gesamten Nahen Osten. Er hat seine Chance gleich souverän genutzt und verkündet, als Reaktion auf die Bombardements Sondereinheiten zur Befreiung von „al-Quds“ (Jerusalem) aufstellen zu lassen.

Bill Clintons Irakpolitik hat dazu geführt, dass die antiisraelischen Regime in Teheran, Bagdad und Damaskus sich wieder aneinander angenähert hatten. Bush wird daraus eine echte Allianz machen. Die „normale Strategie“ der neuen Befehlshaber in Washington und Jerusalem scheint zu sein, den Gegner erst richtig zu provozieren, um dann einen Krieg als unvermeidlich erscheinen zu lassen. Den Menschen im Nahen Osten droht dadurch viel Leid – und den amerikanisch-europäischen Beziehungen eine schwere Belastung. Es bleibt nur die schwache Hoffnung, dass George W. Bush sich einmal dazu entschließt, unsere Vorurteile nicht zu bestätigen.

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