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liebeserklärungHarald Martenstein

Mit seiner „Zeit Magazin“-Kolumne erinnert Martenstein Femi-nistinnen daran, was es alles noch zu tun gibt. Jede Woche mit einer kruderen These – dieses Mal zum Thema Abtreibung

Es gibt noch Dinge, auf die man sich verlassen kann. Selbst wenn im Patriarchat alle Stricke reißen, wenn der Frauentag ein Feiertag wird, Angela Merkel wie eine Feministin wirkt und die Parlamente die Parität beschließen, dann gibt es immer noch: Harald Martenstein.

Solange Martensteins Kolumne im Zeit Magazin erscheint, wird sich niemals eine Feministin fragen müssen, ob ihre Arbeit denn nun getan ist. Jede Woche schafft er es, diese eine Seite mit noch kruderen Thesen zu füllen und in der sonst so progressiven und sauber gestalteten Zeitschrift einen ranzigen Fleck zu hinterlassen. Wie der Fleck auf dem Küchenboden, den man schon letzte Woche wegwischen wollte. Wie das bisschen Milchkotze, das das Kind einem aufs sonst makellose Outfit gespuckt hat. Nicht schlimm, kein Weltuntergang, man könnte auch einfach wegsehen und so tun als wäre nichts – aber ey, muss das sein?

Gerade stand eine seiner Kolumnen zur Debatte, in der er erklärt, Abtreibung während und nach der Geburt seien in den USA der „neue Hit im feministischen Forderungskatalog“ und behauptet, die Jusos hätten bereits Abtreibungen bis zum neunten Monat gefordert. Er will sagen: Selbstbestimmung ja, aber nein. Correctiv hatte schon im Dezember, nachdem das AfD-nahe Jugendmagazin Arcadi Ähnliches behauptet hatte, einen Faktencheck dazu gemacht und jetzt folgte noch ein Faktencheck der ARD, der alles, was Martenstein da behauptet, penibel durchleuchtet. Das Ergebnis ist, verkürzt gesagt: Man kann die Forderung der Jusos nach Aufhebung der Fristenlösung interpretieren als das Recht auf ewige Abtreibung, muss man aber nicht.

Harald Martenstein ist heute der Prototyp einer Gruppe von Menschen, die aus Mangel an Alternativen, und weil es halt wahr ist, „alte weiße Männer“ genannt wird. Martensteins antifeministische Hartnäckigkeit und mit welcher Leidenschaft er – der früher, so erzählen es erfahrene Kolleginnen, mal als links galt, den man früher gern gelesen hat – uns jede Woche aufs Neue erschaudern lässt, das muss man auch mal anerkennen. Und wenn man nach all den Jahren aus seinen Texten nichts gelernt hat, kann man eines durchaus lernen: Nämlich wie man es schafft, als Autor mithilfe der eigenen Radikalisierung im Gespräch zu bleiben. Saskia Hödl

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