: kurzportrait
Taiwans neuer Präsident
Seine Eltern waren Bauern und Analphabeten, als ihr Junge jeden Tag zwei Kilometer barfuß zur Schule lief und nur eine Hose und ein Hemd besaß, die er sechs Tage in der Woche am Leibe hatte und am siebten von der Mutter waschen ließ, während er nur noch seine Unterwäsche trug. Taiwans neuer Präsident Chen Shui-bian verfügt über eine Musterbiografie in einem Musterland, das in wenigen Jahrzehnten den Sprung aus der absoluten Armut an die Weltwirtschaftsspitze schaffte.
Chen, 49, war Ende der Siebzigerjahre Rechtsanwalt in Taipeh. Er verteidigte die Vorkämpfer der taiwanesischen Unabhängigkeits- und Demokratiebewegung vor Gericht. Dabei lernte er seine Mentoren kennen, die gegen die Diktatur der Kuomintang aufbegehrten.
In den Neunzigerjahren dann hatte Chen seine Ideale hinter sich gelassen. Als Bürgermeister von Taipeh erntete er politische Lorbeeren, auch ohne große Ideen zu verkünden. Er reorganisierte den Verkehr und die Müllabfuhr, bis er, als seine Wiederwahl anstand, das Rennen verlor. „Ihr wolltet meinen Mann nicht mehr als Bürgermeister“, rief Chens Ehefrau und politische Wegbegleiterin, Wu Shu-jen, am Samstagabend in die jubelnde Menge. „Na gut, dafür bekommt ihr ihn nun als Präsidenten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen