kommentar von Sven-Michael Veit über die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein: Regieren mit Trostpflästerchen
Letztlich sind die WählerInnen Schuld. Mit ihrem Votum haben sie Jamaika in Schleswig-Holstein – mangels anderer realistischer Alternativen wie einer Großen Koalition oder einer Ampel – erzwungen. Also sollen sie sich jetzt bitte nicht beschweren. Sie bekommen, was sie verdienen: ein Bündnis der wackeligen Art, dessen erkennbare Risse mit Geld zugekleistert werden.
In der Schulpolitik wird es wieder konservativer im Lande, in der Sozialpolitik wird nichts, aber auch gar nichts, besser werden. Obwohl doch der grüne Vordenker Robert Habeck ankündigte, in einer Jamaika-Koalition müssten die Grünen „linker“ werden. Damit meinte er, das wird jetzt klar, den Komparativ von „link“, nicht von „links“.
In der Energie- und Agrarpolitik droht Stillstand, das gleiche gilt für Natur- und Klimaschutz, was aber als positives Ergebnis interpretiert werden darf: Auf beiden Feldern sollen erreichte Standards nicht angetastet werden – was für ein kraftvolles Signal gegen Donald Trump.
Richtig heftig indes werden die schwarz-grün-gelben Koalitionäre sich in den nächsten fünf Jahren – wenn sie es denn über die volle Distanz miteinander aushalten – in der Innen- und Verkehrspolitik streiten. Der Formelspagat aus ein bisschen Abschiebung, aber auch ein bisschen Humanität ist eine Sollbruchstelle im Bündnis, im Bau des A20-Elbtunnels und des Ostseetunnels im Fehmarnbelt steckt politische Sprengkraft.
Das alles kaschieren zu wollen mit mehr als einer halbe Milliarde zusätzlicher Euro aus erwarteten Steuermehreinnahmen mag als pragmatischer Professionalismus betrachtet werden. Indes ist Regieren mit Trostpflästerchen wahrlich kein Allheilmittel. In Wahrheit stellen die Jamaikaner im hohen Norden um des Koalitionsfriedens willen die bisherige finanzpolitische Solidität in Frage. Das ist kühle Machtpolitik.
Dem Dreierbündnis steht, so ihre Gremien und Mitglieder zustimmen, eine harte Bewährungsprobe mit ungewissem Ausgang bevor. Jamaika ist auf Sand gebaut.
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