kohl wird 70: IN DIE SUPPEGESPUCKT
Es hätte heute das große Fressen werden sollen: „Das Festessen des Regierenden Bürgermeisters zum Geburtstag des Alt-Kanzlers Helmut Kohl“. Kalorienbomben sollten gezündet, vielleicht Suppiges vom Fischigen gekocht, Kartoffelgratins nach Altberliner Art und „Buletten an Curry“ serviert werden. Wer isst, vergisst, hat sich Diepgen gedacht. Dem Ehrenbürger, der in letzter Zeit nur Parteispenden-Ärger in sich hineinfressen musste, würden ein paar Pfunde mehr wieder gut tun. Der Alt-Kanzler sollte schmecken, was Küche und Keller im Roten Rathaus so zu bieten haben. Dazu ein dreifach kräftiges: „Hoch soll er leben!“
Bekanntlich lehnt Kohl solche Gelage nie ab. Seine Saumagen- und Wurstorgien aus Bonner Zeiten sind berüchtigt. Selbst Gorbatschow wurde einmal bei der Frage „Ist wer, wer was isst?“ mit einem dreistündigen Pfalzkost-Vortrag abgestraft. Darum braucht Diepgen sich nicht zu ärgern, dass Kohl abgelehnt hat und die Feier „weiter ins Jahr hinein“ verlegen will. Es muss doch einem Berliner angst und bange werden, wenn beim Regierenden, dessen Leibgerichte Reibekuchen und Rinderrouladen sind, sich „Kohl 70“ als Gourmet blamiert.
Und noch etwas spricht für den gelassenen Umgang mit der Absage des Geburtstagskinds. Kohl ist nicht mehr der Alte, der er einmal war. Seine langjährige Bürodame, Juliane Weber, stellt in der neuesten Ausgabe des Stern Verfallserscheinungen des schwarzen Riesen nach dem Skandal fest. Es müsste also mit dem Äußersten gerechnet werden bei der Kohl-Party: etwa mit nicht mehr ganz zivilisierten Tischsitten oder schlicht und ergreifend einem staatsmännischen Auskotzen über den Eberhard, der an Kohls Tafel nie gerne gesehen ward.
Was also tun mit den angewärmten Fischen, Suppen und Buletten? Es freut sich die Berliner Tafel und von hier wie dort kommen die herzlichsten Glückwünsche. ROLF LAUTENSCHLÄGER
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