kohl bleibt straffrei: Schweigen ist eben Gold
Helmut Kohl ist ein Glückskind. Er war länger Kanzler als Adenauer, hat alle parteinternen Intrigen überstanden. Und jetzt auch noch das: Das dritte Ermittlungsverfahren gegen ihn (zwei gab es bereits in der Flick-Affäre) wird nun eingestellt. 300.000 Mark Buße hat Kohl dafür zu zahlen, dass er nicht vor Gericht erscheinen muss.
Kommentarvon SEVERIN WEILAND
Die Entscheidung, das Ermittlungsverfahren einzustellen, war absehbar. Erstens ermöglicht die Strafprozessordnung diesen Ausweg ausdrücklich, wenn der Beschuldigte den entstandenen Schaden wieder gutmacht. Zweitens aber hätte sich die Vermutung, Kohl hätte die undeklarierten Spenden von 2,1 Millionen Mark nicht für Parteizwecke eingesetzt, wohl kaum erhärten lassen. Insofern war der Vorwurf der Untreue von Anfang an eine Hilfskonstruktion. Er sollte ausbügeln, was das Parteiengesetz nicht leisten kann. Solange nämlich dort Verstöße nicht strafbewährt sind, sondern nur dazu führen, dass die staatlichen Zuschüsse gekürzt werden, solange werden im Zweifelsfall weiter anonyme Konten angelegt und mit bedauerndem Achselzucken hingenommen.
Darf sich der frühere Kanzler also doch als unschuldiges Opfer verkaufen? Im moralisch-politischen Sinne keineswegs. Mit seiner Spendenpraxis verletzte er die bürgerlichen Anstandsregeln, auf deren Einhaltung gerade seine Partei stets pochte. So wie Kohl glaubte, mit Geld seine Macht abzustützen, um dann mit einer Geldsammlung alles wieder „gutzumachen“, so wird er auch glauben, mit 300.000 Mark wirkliche Buße getan zu haben. Die gesellschaftlichen Auswirkungen seines Vorgehens hat Kohl bis heute nicht erfasst. Das ist das eigentlich Bedenkliche an der gestrigen Entscheidung. Es hilft Kohl, dem Meister der Verdrängung. Und schadet der CDU, die sich trotz anfänglicher Bemühungen nicht vom alten Mann lossagen konnte.
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