klatsche für wowereit: Getroffen, aber nicht beschädigt
Der Regierende Bürgermeister hat also eine Klatsche bekommen, eine Ohrfeige, wie CDU und Grüne einhellig meinen. Das mag Klaus Wowereit nicht gerade passen, was seine unziemliche Richterschelte deutlich gezeigt hat. Doch wer nun daraus schließt, Wowereit sei durch das Urteil wirksam beschädigt, verkennt die Realitäten des Polit-Alltags.
Kommentar von STEFAN ALBERTI
Rein theoretisch könnte Wowereit auf drei Ebenen lädiert sein: in der SPD, in der rot-roten Koalition, in der Öffentlichkeit für nächste Wahlen.
Doch was kann ihm die eigene Partei vorwerfen? Dass er für sie versucht hat, das Zuwanderungsgesetz als ein Kernstück der Schröder-Regierung durchzubringen, sei es auf eigene Initiative oder auf mehr oder minder sanften Druck? Dann hätte sich zum letzten Mal ein Ministerpräsident als Parteisoldat zur Verfügung gestellt. Wowereit hat jetzt eher in der SPD etwas gut.
Die PDS als Koalitionspartner? Gerade sie wollte doch eine noch weiter gehende Modernisierung des Zuwanderungsgesetzes. Da kann sie kaum den Mann anzählen, der den Kompromiss durchbringen wollte und sollte.
Die Öffentlichkeit? Bei einem baldigen Wahltermin könnte die CDU von dem Urteil profitieren, wenn sie Wowereit fortan gebetsmühlenartig als ertappten Trickser und Verfassungsbrecher darstellt. Doch zum einen bedarf das einigen Geschicks, das bei der Union derzeit nicht zu erkennen ist. Zum anderen steht die nächste Wahl zum Abgeordnetenhaus regulär erst 2006 an, und derzeit deutet nichts auf einen früheren Termin hin. Schon Monate aber sind in der Politik eine halbe Ewigkeit, wie die erste Bundestagswahl nach dem CDU-Spendenskandal gezeigt hat, geschweige denn Jahre. Was das Verfassungsgericht gestern urteilte, ist 2006 nur noch Geschichte.
Stolpern könnte Wowereit nur über sich selbst, indem er gefrustet die Brocken hinwirft. Doch wer sich vom Tempelhofer Bezirksverordneten zum Regierenden hochgearbeitet hat, der sitzt so etwas aus – die Methode Kohl ist nicht auf die CDU beschränkt.
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