kinotipp der woche: Komödiantischer Ernst
Vom Schauspieler zum Regisseur: Das Zeughauskino zeigt eine Willi Forst-Reihe, darunter die Verwechslungskomödie „Allotria“
Eine ganze Kreuzfahrt lang hat Philipp (Adolf Wohlbrück) mit Diana (Renate Müller) geflirtet, doch als er ihr in der letzten Nacht einen Heiratsantrag machen will, läuft vor seinem inneren Auge eine Sequenz verlorener Junggesellenfreiheit ab. Nun schaut der Playboy bedröppelt dem Zug hinterher, aus dem ihm die junge Frauzuwinkt.
Der Wiener Schauspieler und Regisseur Willi Forst wechselte seit der Stummfilmzeit fließend zwischen den Studios in Wien und Berlin, anders als viele Kollegen konnte er diese Arbeit auch nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 ungebrochen fortsetzen. „Allotria“ entstand 1936 in Berlin. Forst verwebt hier souverän das Verwechslungsspiel mit Montagesequenzen und Filmeffekten (was Joseph Goebbels wenig gefiel). Der Film atmet Modernität und entsorgt dennoch die Modernität der Geschlechterverhältnisse zugunsten einer leicht muffigen Konvention. Wie so oft bei den Unterhaltungsfilmen, die während des NS produziert wurden, liegt die wahre Tragödie in der Produktionsgeschichte. Für Renate Müller sollte es einer der letzten Filme werden, ein Jahr später stürzte sie aus ihrer Villa und verstarb an den Folgen. Die Nationalsozialisten hatten den Filmstar zuvor systematisch behindert und gegängelt.
Verführerische Melancholie: Die Filme von Willi Forst. Bis 25. August im ZeughauskinoDie Langfassung: taz.de/tazplan
Forsts „Verführerische Melancholie“, das macht die Reihe deutlich, entfaltete sich unter den Umständen der Entmenschlichung durch den NS von dem sich weder Deutschland noch der deutsche Film jemals erholt hat. Forsts Filme bilden dazu einen interessanten Kontrast.

Fabian Tietke
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