juttas neue welt: Frauentauchen
Mein Textverarbeitungsprogramm scheint etwas gegen Frauen-Wohngemeinschaften zu haben: Jedes Mal, wenn ich meine Mitbewohnerin erwähne, sieht Word rot und kringelt sich vor Unkenntnis. Es muss tatsächlich an der In-dung liegen – denn Mitbewohner werden herzlich empfangen. Genauso frauenfeindlich reagiert mein Bildschirm, wenn ich von meinem Leben als Basketballerin berichten will. Auch der Versuch, ihn mit Basket-Ballerina auszutricksen, scheitert – Word moniert den vermeintlichen Doppelfehler, Körbe jagende Damen gibt es nicht, basta.
Da dachten die Programmierer wohl ganz viktorianisch – denn schon damals durften nur Männer ins Schwitzen geraten. Frauen dagegen hatten Sportverbot, sollten dekorativ am Spielfeldrand rumstehen und bei Gelegenheit das Handtuch reichen. Und als sie die Statistenrolle satt hatten und endlich wagten, selbst in Bewegung zu kommen, fühlten sich die Männer überrannt, wollten keine Konkurrentinnen und meinten, es gebe „auf der Welt keine bessere Übung zur Körperertüchtigung, als einmal tüchtig den Tisch zu schrubben“. So entstand das Hausfrauenturnen.
Eine kleine Geschichte des Frauensports habe ich bei einem Websitestep auf www.frauensport.de gefunden. Von wegen Männerdomäne! Sicherheitshalber haben die Webmasterinnen auch Adressen wie www.frauenleichtathletik.de und www.frauengolf.de mit reserviert, von denen man auf ihre Homepage umgeleitet wird. Selbst an www.frauentauchen.de haben sie gedacht. Wer hier allerdings spontan falsch semantisiert, denkt nicht unbedingt an tiefseetauchende Frauen, sondern vielleicht an eine neue Disziplin beim Freischwimmerabzeichen in Platin: „Tauchen sie nach der Frau am Beckenboden.“ Wer das nicht packt, macht dann einen Frauentauchkurs? Ob das im Sinne der Erfinderinnen ist? Überhaupt ist der ständige Einsatz der weiblichen Doppelvorsilbe eher ein Eigentor, das den Unterschied zwischen Sporttreibern und Sporttreiberinnen erst recht verdeutlicht. Ich sage ja auch nicht: „Ich spiele Damenbasketball.“ Oder: „Susi ist ganz schön frauensportlich.“ Boris Becker dagegen nutzte einst die gleiche Taktik zu Diskriminierungszwecken und behauptete: „Ich spiele Tennis und Steffi Graf Frauentennis.“ Aber gut, die Frauensportlerinnen (hier schweigt Word!) wollten es eben wissen und starteten ihrerseits den Netzangriff. Woraufhin ich ein bisschen Frauensurfen betrieb.
Auf der guten Seite des Damensports fand ich also zahlreiche Informationen, Links und Buchtipps über alle Formen der weiblichen Leibesübung – vom Fußball über Volleyball, Segeln und Reiten bis zum aktiven Entspannen mit Gewalt, auch Poweryoga genannt. Natürlich darf hier die Gemüsetabelle nicht fehlen – in der Rubrik „Fit Food“ werden Diäten gebodycheckt und Körpergewichte gestemmt. Und mit der Sieben-Tage-Körner-Kur und zeitgleichem Frauenpower-Dauerlauf werden sich alle Problemzonen sicher in Wohlgefallen auflösen.
Mir ging allerdings der notorische Wille zur Fitness-Emanzipation und zum Noch-Gleichberechtigter-Sein ziemlich schnell auf den Sportsgeist. Ich fühlte mich sogar fast geneigt, für mehr Toleranz gegenüber bewegungsfrohen Männern aufzurufen. Bevor ich die digital-sportive Feminische verließ, wollte ich jedoch noch wissen, welche Website den frauensport.de-Award erhalten hat. Ich war überrascht. Es war www.softball.de! Unglaublich! Wie sollen wir uns denn mit dem Softball einen festen Platz auf dem Olymp erstreiten? Am Ende noch mit Helmpflicht? Dem Höher-schneller-weiblicher-Gestus der Seite folgend, hätte ich mindestens eine ausgezeichnete Homepage über Frauencatchen erwartet. Wobei – das kann man ja auch wieder falsch verstehen. JUTTA HEESS
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