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italien und der euroVerhasste Integration

Jede Schwindelfirma kennt das Prinzip: Ein seriöser Mann gehört einfach dazu, um dem Laden einen Anstrich von Ehrlichkeit zu verschaffen. So dachte wohl auch Silvio Berlusconi, als er Renato Ruggiero zum Außenminister machte; schließlich genießt der Karrierediplomat, Ex-WTO-Chef und überzeugte Europäer weltweit hohes Ansehen. Sein Dienstauftrag ist dafür ziemlich eng begrenzt: Er darf „außenpolitische Kontinuität verkörpern“ – auch da, wo diese gar nicht gegeben ist.

kommentarvon MICHAEL BRAUN

Dass er nur als Feigenblatt gefragt ist, erfuhr Ruggiero dieser Tage. In elf Hauptstädten Europas bejubelten Politiker jedweder Couleur die Einführung des Euro – allein in Rom herrschte Schweigen. Der Herr Ministerpräsident weilte in Urlaub, und keiner seiner Minister hatte auch nur ein freundliches Wort für die neue, gemeinsame Währung. Dafür meldeten sich drei Schwergewichte des Regierungslagers mit spitzen Bemerkungen: Umberto Bossi von der Lega Nord, zugleich Minister für Verfassungsreform, sowie die Forza-Italia-Mitglieder, Schatzminister Giulio Tremonti und Verteidigungsminister Antonio Martino. Letzterer glänzte mit der Prophezeiung, der Euro werde scheitern, sogar gegenüber „den Kartoffeln aus Macao“ habe er schon an Wert verloren.

Das bringt die europapolitische Position der italienischen Regierung auf den Punkt. Die Streitereien um den Militär-Airbus, den Europäischen Haftbefehl, die Europäische Agentur für Nahrungsmittelsicherheit – die Italien wegen des Schinkens gern in Parma hätte – ließen sich noch recht oder schlecht zum Alltag im EU-Basar umdeuten. Die Euro-Aussagen jedoch zeigen, dass weite Teile der italienischen Rechten von weiterer Integration nichts wissen wollen. Es wird deutlich: Bossi steht mit seinen Hasstiraden gen Brüssel im Kabinett keineswegs allein.

Allein steht dagegen Ruggiero. Kein einziger Politiker der Koalition sprang ihm bei, als ihm jetzt die Hutschnur platzte. Und Berlusconi ließ zwar verlauten, an der „europäischen Inspiration“ der eigenen Mannschaft herrsche gar kein Zweifel. Dann aber setzte er nach mit der perfiden Erklärung, Ruggiero sei gar kein Politiker, sondern bloß ein „Techniker“, dem es obliege, Berlusconis Außenpolitik umzusetzen. Der Techniker wird sich entscheiden müssen: Entweder er findet sich mit dem bizarren Auftrag ab, die Politik des Bruchs klaglos als Politik der Kontinuität zu verkaufen – oder aber er überlässt es Berlusconi, sich ein anderes Feigenblatt zu suchen.

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