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heute in hamburg„Es gibt keine Hamburg-Skepsis“

Vortrag „Institutionelle Bedingungen der Euroskepsis“: 17 Uhr, Hamburger Institut für Sozialforschung. Livestream: https://t1p.de/woql

Interview Arne Matzanke

taz: Herr Möllers, werden wir in 20 Jahren noch eine Europäische Union haben?

Christoph Möllers: Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Die EU wird sich schon aus reiner Interessenpolitik nicht auflösen.

Zum 1. Juli übernimmt Sloweniens europa­skeptischer Ministerpräsident Janez Janša die EU-Ratspräsidentschaft. Wird er die EU weiter auseinandertreiben?

Er kann zwar Dinge verlangsamen, aber nicht zerstören. Zunächst entsteht ein symbolisches Problem. Mit Janez Janša steht ein Mann an der Spitze der EU, der nicht für die EU stehen will. Hinzu kommt ein institutionelles Problem. Die Europäische Union steht unter dem Druck großer Erwartungen. Wenn nun der Ratspräsident durch eine schwache Zielsetzung für die Gipfeltreffen die Entscheidungsfindung erschwert, kann das eine weitere von vielen politischen Enttäuschungen erzeugen.

Nach fehlender Mehrheit der ursprünglichen Kandidat:innen war auch die Wahl von Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission umstritten. Schwächt dies die Legitimität des Amtes?

Nein, dass die Wahl umstritten war, spricht für ihren demokratischen Charakter. Für mich ist nicht die Wahl, sondern die Amtsführung fragwürdig. Die Kommission verhält sich gegenüber Ländern wie Polen und Ungarn sehr zögerlich. So entsteht der Eindruck, dass von der Leyen größere Rücksicht auf Länder nimmt, deren Regierungen ihr politisch nahestehen. Aber auch die Mitgliedsstaaten sind zu zurückhaltend, obwohl auch sie auf die Wahrung der europäischen Rechtsstaatlichkeit verpflichtet sind.

Fehlen also symbolische Positionierungen?

Solche Aussagen haben nicht nur Symbolcharakter, sondern harte politische Relevanz. Momentan sieht es nach einem stillschweigenden Abkommen der EU-Staaten aus: Wir stellen eure Verfassungsordnung nicht infrage, ihr stellt die unsere nicht infrage.

Ist der Brexit nicht ein Mahnmal für diese entschiedene Positionierung?

Großbritannien hatte Befürchtungen wirtschaftlicher Art. Es gab kein Problem mit der britischen Verfassung. Die EU muss sich fragen, ob sie es immer allen recht machen kann oder lieber eine konsequente Linie fährt.

Foto: privat

Dr. Christoph Möllers52, ist Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist unter anderem Träger des Leibniz-Preises der DFG 2016.

Die Varoufakis-Partei DIEM25 forderte eine europäische Verfassung. Ist das eine Utopie?

Die Europäischen Verträge kommen in der Sache einer Verfassung sehr nahe. Die Strukturprobleme der EU werden jedenfalls nicht dadurch gelöst, dass man das Ganze jetzt Verfassung nennt.

Wie beeinflussen die Entstehungsprozesse der EU die Skepsis von heute?

Es gibt keine Deutschland- und auch keine Hamburg-Skepsis. Warum? Meine Vermutung ist, dass die EU sehr früh damit angefangen hat, sich über demoskopische Befragungen, die es bereits seit den Siebzigern gibt, zu legitimieren. Die Kommission hat sich von öffentlichen Stimmungen abhängig gemacht und damit die Rede von der EU-Skepsis selbst produziert. Hinzu kommt, dass die EU ein Konstrukt mit undurchsichtigen Verantwortungsstrukturen ist. Die Probleme der Europäischen Union hängen auch damit zusammen, dass die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die EU im Dunklen bleibt.

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