heute in hamburg: „Es ist eine katastrophale Situation“
Infoveranstaltung und Film mit Bericht des Filmemachers Hami Roshan und von Aktivist*innen zur aktuellen Situation auf Lesbos. Ab 19 Uhr, auf www.tinyurl.com/35a6rrk8
Interview Hagen Gersie
taz: Frau Gunßer, wie viele Kinder aus Lesbos hat Hamburg mittlerweile aufgenommen?
Conni Gunßer: Ich weiß nicht, ob sie alle aus Lesbos sind, aber aus Griechenland kamen bis Ende letzten Jahres insgesamt 21 unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Hamburg. Und dann gab es noch Familien, die mit Kindern gekommen sind. Da kamen 59 Personen. Einige davon sind Familien mit behandlungsbedürftigen Kindern.
Warum nur so wenige?
Ich vermute, dass man die Linie von Bundesinnenminister Horst Seehofer verfolgt: „Wir dürfen nicht mehr aufnehmen als andere Länder. Wir müssen das im europäischen Zusammenhang machen.“ Das sind die offiziellen Begründungen. Die realen Gründe sind natürlich auch, dass man die Leute abschrecken will, überhaupt nach Europa zu kommen. Deshalb lässt man sie in Lagern an den EU-Außengrenzen, um sie von dort abzuschieben.
Wie hat sich die Situation auf Lesbos seit dem Brand in Moria entwickelt?
Das neue Lager direkt am Meer ist heftigen Stürmen und Kälte ohne Schutz ausgesetzt. Da stehen nur Zelte als Schlafort, die im Wind durch die Gegend flattern. Zum Teil gibt es kein warmes Wasser, keine oder nur wenig Duschmöglichkeiten und Toiletten. Es ist eine katastrophale Situation, vor allem im Winter bei unter null Grad. Wie es jetzt vor Ort ist, wird in dem Film sehr deutlich, den wir heute Abend zeigen, deswegen will ich nicht zu viel erzählen.
Gibt es irgendetwas Positives?
Was klasse ist, ist, dass die Leute sich selber organisieren und versuchen, den Kindern Unterricht zu geben.
Conni Gunßer, 64, engagiert sich beim Flüchtlingsrat und arbeite als Sozialpädagogin mit geflüchteten und nicht geflüchteten Jugendlichen.
Wird Hamburg mehr Menschen aufnehmen?
Hamburg ist zwar Teil des Bündnisses von rund 50 solidarischen Städten, die ihre Aufnahmebereitschaft erklärt haben, aber eigentlich nur auf dem Papier dabei. Die Stadt hat nicht viel mehr Menschen aufgenommen, als ohnehin ihrem Prozentsatz bei der Verteilung entspricht. Der Senat sagt, es gebe die Bereitschaft, insgesamt 500 Geflüchtete aufzunehmen, aber dieses Kontingent ist noch lange nicht erfüllt. Die Stadt könnte außerdem viel mehr aufnehmen.
Am Bundesinnenministerium vorbei?
Der Senat könnte sich mit Berlin und Thüringen zusammenschließen, die dagegen protestiert haben, dass Seehofer keine Landesaufnahmeprogramme zulassen will. Da hat sich Hamburg bisher peinlich zurückgehalten.
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