heute in hamburg: „Nur die türkische Regierung nennt sie Terrorist:innen“
Online-Vortrag „Recht gegen Gewalt: Die Entwicklung der Menschenrechtsbewegung in der Türkei“: 18 Uhr, Anmeldung unter https://t1p.de/sjcu. Die Veranstaltung wird aus dem Türkischen übersetzt
Interview Hagen Gersie
taz: Herr Aytaç, sind Sie ein Terrorist?
Ahmet Aytaç: In der Türkei kann jeder, der der Regierung widerspricht, als Terrorist:in eingestuft werden. Als ich noch in der Türkei gearbeitet habe, habe ich die Petition „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“ unterzeichnet, die die Regierung aufgefordert hat, militärische Operationen im Südosten der Türkei zu beenden. Es war ein friedlicher Aufruf. Wegen dieses Aufrufs hat uns die Regierung Terrorist:innen genannt und uns aus den Universitäten verbannt. Heute wird die halbe Bevölkerung in der Türkei Terrorist:innen genannt.
Sind die 700 Menschen, die vorgestern als PKK-Terrorist:innen festgenommen wurden, also Menschenrechtsaktivist:innen?
Die meisten der Festgenommenen sind Mitglieder der Halkların Demokratik Partisi (HDP), die mehr als 10 Prozent der Menschen vertritt. Die meisten Aktivist:innen dieser Partei haben weder eine direkte noch eine indirekte Verbindung zur PKK. HDP schlägt friedliche und demokratische Lösungen für das kurdische Problem vor, was die Schnittstelle zwischen Politik und Menschenrechtsaktivismus darstellt. Nur die türkische Regierung nennt sie Terrorist:innen.
Welchen Stand hat die Menschenrechtsbewegung in der Türkei heute?
In der Türkei werden die Menschenrechte als ein Instrument der Außenpolitik vereinnahmt. Darum wird die Menschenrechtsbewegung sehr stark unterdrückt. Die Menschenrechtsbewegung ist eine internationale Bewegung und internationale Solidarität ist sehr wichtig in Bezug auf Menschenrechtsprobleme. Aber genau wegen dieser Solidarität beschuldigt die Regierung die meisten Menschenrechtsaktivist:innen, dass sie Spione seien oder sich gegen die Regierung verschwören würden.
Denken Sie, es fehlt aktuell an internationaler Solidarität?
Ja. Das ist so, weil die meisten internationalen Menschenrechtsinstitutionen strategisch denken und handeln.
Was meinen Sie damit?
Zum Beispiel hat der Präsident des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Róbert Spanó, die Türkei besucht und dort eine Ehrendoktorwürde der Universität Istanbul angenommen, die vor allem von der Regierung kam. Das war für viele Aktivist:innen sehr enttäuschend, weil sie gefordert haben, dass er diesen Ehrentitel ablehnt. Aber ihm war das egal.
Glauben Sie, dass Sie irgendwann wieder an einer türkischen Universität werden arbeiten können?
Ja, das glaube ich. Aber nicht in der nahen Zukunft.
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