heute in hamburg: „Friedlich und unfriedlich wie immer“
Podiumsgespräch: „30 Jahre Rote Flora“ mit Andreas Blechschmidt, 18.30 Uhr, T-Stube/Pferdestall, Allende-Platz 1, Eintritt frei
Interview Carlotta Kurth
taz: Herr Blechschmidt, 1989 wurde die Rote Flora besetzt, um hohen Mieten und einer Aufwertung des Viertels vorzubeugen. Gut geklappt hat das nicht wirklich, oder?
Andreas Blechschmidt: Mit diesem politischen Anliegen sind wir tatsächlich gescheitert, ja. Man muss leider auch anmerken, dass die Rote Flora mit ihrer Ablehnung von vertraglichen Lösungen als subkultureller Faktor den Prozess der Gentrifizierung unfreiwillig sogar mitangefeuert hat. Ohne die Flora wäre die Schanze vielleicht nicht zu dem hippen, kreativen Stadtteil geworden, der sie heute ist.
Welche Anliegen verfolgt die Rote Flora heute?
Aktuell geht es um Migrationspolitik und die Frage, wem gehört die Stadt? Wir kämpfen für eine solidarische, grenzenlose Gesellschaft.
Bürgermeister Peter Tschentscher hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass die Rote Flora friedlicher geworden sei. Stimmt das?
Die Flora ist so friedlich und unfriedlich, wie sie es in den letzten 30 Jahren immer war. Für uns war es immer klar, dass wir den bewussten Regelbruch als Teil unserer Politik betrachten.
Von einigen Seiten kommt der Vorwurf des Linksextremismus …
Das ist Etikettenkleberei, die VerfassungsschützerInnen gerne betreiben. Daran beteiligen wir uns eigentlich ungern. Wir haben eine klare politische Haltung. Die Mühe, das zu etikettieren, überlassen wir anderen.
Wofür steht die Rote Flora denn?
Sie ist erst mal ein Treffpunkt für alle, die sich mit den politischen Inhalten der Flora identifizieren. Also Antisexismus, Antirassismus, sich gegen Antisemitismus zu wehren und Kapitalismus in Frage zu stellen. Wir sind deshalb grundsätzlich ein Ort der politisch-kritischen Gegenöffentlichkeit.
Andreas Blechschmidt, 54, ist seit 30 Jahren Aktivist der Roten Flora.
Kann die Rote Flora in Zukunft Frieden schließen mit Polizei und Politik?
Ich gehe nicht davon aus, dass es dazu eine Veranlassung gibt. Um Frieden zu schließen, müsste das eine Polizei und Politik sein, die eine gänzlich andere Politik betreiben, als sie das bisher tun. Deshalb werden wir in entschlossener Feindschaft auch in Zukunft unseren politischen Kurs verfolgen.
Haben Sie Bedenken, dass es in Zukunft noch zu einer Räumung kommen kann?
Räumungsforderungen begleiten die Rote Flora so zuverlässig wie das schlechte Wetter Hamburg. Insofern sehen wir das nach 30 Jahren mit einer gewissen Gelassenheit.
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