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heute in hamburg„Schülern auf Augenhöhe begegnen“

Diskussion „Neue Autorität – Problem oder Lösung“. Mit Stefan Dierbach, Tilman Lutz, Cornelia Klioba und Martin Lemme. 19 Uhr, GLS-Bank, Düsternstraße 19, Eintritt frei

taz: Frau Boeddinghaus, Sie laden heute Abend zur Diskussion „Neue Autorität – Problem oder Lösung“. Was ist das überhaupt?

Sabine Boeddinghaus: Die „Neue Autorität“ ist ein Konzept, das sich zunächst an Eltern richtete, die sich ihren „schwierigen“ und „unerziehbaren“ Kindern hilflos gegenübersahen. Es wurde von dem israelischen Psychotherapeuten Haim Omer entwickelt, der es mit seinem Osnabrücker Kollegen Dr. Arist von Schlippe auch nach Deutschland brachte. Mittlerweile kommt es in Schule und Jugendhilfe zum Einsatz.

Und deshalb befassen Sie sich damit?

Ja. Ich erfuhr, dass das Konzept regelhaft in der Hamburger Lehrerausbildung angewendet wird. Ich richtete eine Kleine Anfrage an den Senat, der das als unbedenklich einschätzt.

Sie nicht?

Nein. Das Konzept beruft sich auf Aktionsformen des gewaltlosen Widerstands von Mahatma Gandhi und Martin Luther King, etwa ein Sit-in im Kinderzimmer. Das finde ich unlauter. Ghandi und King führten einen Kampf von „unten nach oben“ gegen Unterdrückung und Unrecht. Nimmt man diesen Vergleich ernst, so frage ich mich, wer denn im Kontext Schule welche Rolle übernimmt? Ich meine, dieser Vergleich hinkt gewaltig, denn in der Institution Schule besteht eine klare Macht­asymmetrie zugunsten der Erziehenden. Es gibt Schulpflicht, die Schüler unterliegen ständiger Kontrolle und Beurteilungen, die für ihr ganzes weiteres Leben prägend sind.

Brauchen Lehrer nicht Autorität, um zurechtzukommen?

Im besten Fall erleben die jungen Menschen in ihren Lehrern eine Art von „echter Autorität“ im Sinne von Lernbegleitern, Unterstützern, Mutmachern. Lehrer, die ihre Stellung nicht gegen den Schüler instrumentalisieren, sondern ihm in selbstkritischer Reflexion ihrer Rolle auf Augenhöhe begegnen. So entsteht eine Bindung und Beziehung, die Basis für gelingende Lernprozesse ist.

Was ist ihre Kernkritik?

Foto: Christophe Gateau/dpa

Sabine Boeddinghaus, 62, ist Erziehungswissenschaftlerin und bildungspolitische Sprecherin der Faktion Die Linke in der Bürgerschaft.

Dass Lehrer an Grenzen geraten, kann ich absolut nachvollziehen. Da verspricht dieses Konzept einfache Patentrezepte, um einen klaren Handlungsrahmen zur Hand zu haben. Meiner Beurteilung nach bleiben die Perspektive des jungen Menschen, das Interesse an ihm und seine Beweggründe für sein Handeln und die Achtung seiner Rechte dabei auf der Strecke.

Sie laden Kritiker und Befürworter ein. Was ist Ziel diese Abends?

In der Tat kommen heute das erste Mal beide Seiten miteinander ins Gespräch, nachdem der Austausch bisher nur über publizierte Artikel lief. Das halte ich für einen ersten guten Schritt. Ob sich im Verlauf der Kontroverse Haltungen verändern, wird sich zeigen. Ich wünsche mir eine Schule, in der ein solches Konzept nicht mehr zur Anwendung kommen muss.

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